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Kulturentwicklung im nordwestlichen Schwarzmeergebiet während des 4. Jtds. v.Chr. unter besonderer Berücksichtigung der Cernavoda I- und Usatovo-Kultur

Antragsteller Professor Dr. Bernhard Hänsel (†)
Fachliche Zuordnung Ur- und Frühgeschichte (weltweit)
Förderung Förderung von 2007 bis 2011
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 35696385
 
Erstellungsjahr 2011

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Die erzielten archäologischen und naturwissenschaftlichen Ergebnisse brachten eine Vielfalt von neuen und bedeutsamen Daten, die zum ersten Mal eine ausführliche Beurteilung der kulturhistorischen Entwicklung im nordwestlichen Schwarzmeergebiet während der 4. Jt. v. Chr. möglich machen. Untersuchungen in Orlovka-Kartal, wo vor allem dank der außerordentlich günstigen und strategischen Position des Siedlungshügels eine intensive und lang andauernde Besiedlungsaktivität vonstatten gegangen war, bildeten dabei eine wichtige Ausgangsbasis und einen Forschungsschwerpunkt. Der stratigraphisch und materiell gut dokumentierte Wechsel zwischen Bolgrad-Aldeni und Cernavodă I-Sedimenten in Orlovka-Kartal kann als ein Paradebeispiel der Kulturveränderungen an der Schwelle vom 5. und 4. Jt. v. Chr. aufgefasst werden. In Orlovka wurde die Cernavodă I-Kultur in die Zeit um ca. 3800 - 3500 cal BC fixiert, was eine erste gut dokumentierte absolutchronologische Einordnung dieser Kultur bedeutet. Eine umfangreiche Analyse sowohl der neu gewonnenen als auch der alten und diesmal ausführlich dokumentierten Funde ergab Möglichkeiten für eine vielseitige Untersuchung zur Materialtypologie und Kulturgenese der Cernavodă I- und Usatovo-Kultur. Bei der erstgenannten Kultur erwiesen sich Gumelniţa- und Cucuteni A-B-Elemente als ein genetischer Hauptbestandteil, obwohl jetzt das gesamte Kulturrepertoire stark reduziert wurde. Der Werkzeugsbestand der Cernavodă I-Kultur ging auf eine paläolithartige Knochen- und Holzindustrie zurück und das Keramikrepertoire ist sowohl in Bezug auf die Formen als auch die Verzierungen ebenso im hohen Maße arm geworden. Unsere geoarchäologische Untersuchungen zeigten, dass diesem kulturellen Abgang die ungünstigen natürlichen bzw. Klimaereignisse zu Grunde lagen. Ab der Mitte des 4. Jt. kam es zu einem erneuten Kulturaufschwung in diesem Gebiet durch die Usatovo-Kultur, was sich in einer Korrelation der materiellen Entwicklung mit der absoluten Datierung gut belegen ließ. Als Besonders aufschlussreich ist die Synchronisierung der jüngeren Phase der Cernavodă I-Kultur mit dem Beginn der Usatovo-Kultur. Somit erwies sich eine Cernavodă I-Komponente zusammen mit den späten Cucuteni B2/Tripolje C1- Elementen als Basis für die Entstehung der folgenden Usatovo-Kultur. Die genetischen Verbindungen zwischen diesen zwei Kulturen ließen sich in gleichem Maße innerhalb der geistigen Sphäre und vor allem im Rahmen des Bestattungsritus nachvollziehen. Die Gesamtentwicklung der Usatovo-Kultur konnte absolutchronologisch in der Zeit 3600-3100 cal BC präzisiert werden. In den Siedlungen Orlovka-Kartal und Majaki wurden Ackerbau und Viehzucht als wirtschaftliche Grundlage nachgewiesen. Diese zwei Siedlungen und wahrscheinlich auch die aus Usatovo konnten als sesshafte Niederlassungen beurteilt werden. Allerdings, weist die breite Dispersion der Gräber beider Kulturen darauf hin, dass es noch weiteren Ansiedlungen gegeben hatte, die wahrscheinlich saisonal bevölkert waren. Sie lassen sich in unseren Untersuchungen leider nicht nachweisen, so dass diese Frage für weitere Forschungen noch offen bleibt. Die gesamten Ergebnisse unseren Untersuchungen wurden in der Monographie „Das nordwestliche Schwarzmeergebiet im 4. Jahrtausend v. Chr. Neue geoarchäologische Untersuchungen zu den Dark Ages der europäischen Kupferzeit“, ausführlich präsentiert. Damit wird eine bedeutende Forschungslücke gefühlt und eine längst fällige Basis für weitere Untersuchungen in diesem äußerst aufschlussreichen Gebiet und Zeitraum geschaffen.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Die sakrale Symbolik des Kreises: Gedanken zum verborgenen Sinnbild der Hügelbestattungen. In: Ancestral Landscapes: Burial Mounds in the Cooper and Bronze Ages. Intern. Conf. Udine 2008
    B. Govedarica
  • New data on the Late Neolithic and Late Bronze Age environments in the southwestern part of the Ukrainian steppe In GCP 521-INQUA 0501 Fifth Meeting, Ïzmir-Çanakkale, Turkey 2009
    N. Gerasimenko, M. Gladyrevska, I. Bruyako, C. Gorbenko
  • Unter den Fittichen der fremden Götter. In: Hänsel, Govedarica, Apakidze (Hrsg.) Der Schwarzmeerraum vom Äneolithikum bis in die Früheisenzeit (5000-500 v. Chr.). PAS 25,2009, 74-90
    I. V. Manzura
  • Zentrum und Peripherie im 5. Jt. v. Chr.: Zur Entstehung und Ausbreitung der europäischen Kupferzeit. In: Hänsel, Govedarica, Apakidze (Hrsg.) Der Schwarzmeerraum vom Äneolithikum bis in die Früheisenzeit (5000- 500 v. Chr.). PAS 25, 2009, 60-73
    B. Govedarica
  • Колебания уровня моря в конце плейстоцена – первой половине голоцена (около 30 – 4 тыс. лет назад) и археология северо-западного причерноморья. Stratum plus, 2005-2009/2, 299-314
    Brujako, Sapožnikov / И.В. Бруяко, И.В. Сапожников
  • Новые материалы раннего бронзового века на Тилигульском лимане. Stratum plus 2010/2, 299-308
    Govedarica-Manzura / Б. Говедарица, И. Манзура
  • Grundzüge einer kulturgeschichte des nordwestlichen Schwarzmeergebietes im 5. und 4. Jahrtausend v. Chr. U: E. Sava, B. Govedarica, B. Hänsel (hrsg.), Der Schwarzmeerraum vom Äneolithikum bis in die Früheisenzeit (5000-500 v. Chr.), globale Entwicklun versus Lokalgeschehen. PAS 27, Rhaden/Westf. 2011, 41-62
    B. Govedarica, I. Manzura
  • Neue Untersuchungen zu Kulturentwicklung im nordwestlichen Schwarzmeergebiet während des 4. Jahrtausends v. Chr. (Forschungsstand 2008). In: W. Schier/M. Meyer (Hrsg.), Jubiläumsschrift zu 50 Jahre Institut für Prähistorische Archäologie. Internationale Archäologie - Studia honoraria (Rahden/Westfalen 2012)
    B. Govedarica, I. Manzura, I. Brujako, R. Neef, E. Sekereskaja, E. Konikov, M. Menninga und A. Windler
 
 

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