Gegenseitige Sanktionierung unter NutzerInnen von Kommentarbereichen auf Nachrichtenwebseiten und auf Facebook
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Nutzerkommentare unter Nachrichtenbeiträgen bieten nicht-institutionalisierten Mediennutzer*innen eine Möglichkeit, eigene Meinungen und Informationen öffentlich zu verbreiten. Sie gehören zu den meist genutzten Formen öffentlicher, nutzergenerierter Inhalte. Viele Kommentare sind allerdings wenig reziprok, rational, konstruktiv oder respektvoll gegenüber anderen. Möglichkeiten der rechtlichen und technischen Regulierung sind bereits Gegenstand gesellschaftlicher und wissenschaftlicher Debatten. Das Projekt fügt dem die Perspektive nutzerseitiger Sanktionierung hinzu. Im Mittelpunkt stand, wie Nutzer*innen andere Kommentator*innen in Online-Diskussionen sanktionieren und welche Faktoren diese Sanktionierung beeinflussen. In einer qualitativen sowie in einer standardisierten Inhaltsanalyse wurden Kommentare auf Webseiten und Facebook-Seiten von deutschen Nachrichtenmedien analysiert. Nutzer*innen setzen sowohl Popularitätsmarker als auch Feedback-Kommentare ein, um Kommentare anderer Nutzer*innen positiv oder negativ zu bewerten. Die Befunde verweisen allerdings auf eine Diskrepanz zwischen diskursiver Sanktionierung in Feedback-Kommentaren und Sanktionierung durch Popularitätsmarker. In Feedback-Kommentaren bewerten Nutzer*innen andere Kommentator*innen fast ausschließlich negativ, während sie auch positive Popularitätsmarker vergeben. Desweiteren besteht eine Diskrepanz, wie die Qualität von Kommentaren aus theoretisch-normativer Sicht eines deliberativen Diskurses einzuschätzen ist und dem, wie Nutzer*innen die Kommentare bewerten. Nutzer*innen schätzen also andere Kommentare als hochwertig ein; sie bewerten auch rationale, konstruktive Kommentare teilweise negativ. Dies ist besonders bedenkenswert, weil Nutzer*innen-Bewertungen durchaus in die Moderations- und Filterentscheidungen von Plattformanbietern einfließen. Die qualitativen Analysen verdeutlichen, mit welchen diskursiven Mitteln Nutzer*innen andere Kommentator*innen positiv oder negativ sanktionieren. Hier leistet das Projekt Grundlagenforschung zu Normaushandlungen in Online-Interaktionen, indem es linguistische Perspektiven zur Gesichtsbedrohungen mit kommunikationswissenschaftlicher Forschung zu Online-Interaktionen integriert. Allerdings kommunizieren die Nutzer*innen eher selten ihre injunktiven normativen Erwartungen an andere Kommentator*innen. Normen über angemessene Interaktionsweisen in Kommentarbereichen vermitteln sie eher deskriptiv: Kommentator*innen passen sich in der Qualität ihrer Kommentare an vorausgegangene Kommentare an. Dadurch können Spiralen der Deliberation aber auch der Inzivilität entstehen. Das Projekt trägt hier wesentliche Erkenntnisse für das Verständnis von Diskursdynamiken in Online-Diskussionen bei. Aus methodischer Sicht besticht die durchgeführte Inhaltsanalyse durch ihren extern validen Ansatz, bei dem reales Kommentierverhalten jenseits von Laborsituationen über diverse Medienseiten und journalistische Themen hinweg untersucht wird. Das Projekt ergänzt damit Experimentalstudien, in denen Determinanten nutzerseitiger Sanktionierung intern valide, aber mit geringerer Verallgemeinerbarkeit getestet werden.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- (2021). Arguments (user comments/interactions). DOCA - Database of Variables for Content Analysis
Naab, T. K., & Küchler, C.
(Siehe online unter https://doi.org/10.34778/5d) - (2021). Clarity (user Comments/interactions). DOCA - Database of Variables for Content Analysis
Naab, T. K., & Küchler, C.
(Siehe online unter https://doi.org/10.34778/5e) - (2021). Number of reply comments (user comments/interactions). DOCA - Database of Variables for Content Analysis
Naab, T. K., & Küchler, C.
(Siehe online unter https://doi.org/10.34778/5f)