Schulische und soziale Kompetenzentwicklung von Grundschulkindern bei unterschiedlichen multilingualen Klassenzusammensetzung
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Bislang liegen nur wenige Forschungsergebnisse zu der Frage vor, wie sich die sozialerzieherischen Intentionen der Schule auf die sozialen Fähigkeiten der Schüler auswirken. Die Beantwortung dieser angewandten Fragestellung setzt voraus, dass das Konstrukt der sozialen Fähigkeiten hinreichend ausgearbeitet und in Erhebungsverfahren operationalisiert worden ist. Die vorliegende Studie bearbeitet zunächst die grundlagenwissenschaftliche Aufgabe, zentrale Aspekte der sozialen Kompetenz in Erhebungsinstrumente für das Grundschulalter – und somit auch für Kinder mit noch geringer Lese- und Schreibfähigkeit – zu übersetzen. Mit der deutschsprachigen Bearbeitung des Interviewverfahrens von Mayeux und Cillessen (2003) wird im Rahmen des Konstrukts der sozialen Informationsverarbeitung die Generierung von Lösungen für soziale Problemsituationen erfasst. Das Instrument erweist sich im Interview als gut handhabbar, allerdings erscheint eine Überarbeitung der von den Autoren vorgeschlagenen Auswertungskategorien angeraten. Als komplementärer zweiter Aspekt der sozialen Fähigkeiten wird das Selbstkonzept sozialer Kompetenz mit einer modifizierten Version eines von Arnold et al. bereits mehrfach eingesetzten Interview- und Fragebogenverfahrens erfasst, welches das Antwortformat von Harter nutzt, um die Tendenz zu sozial erwünschter Antwortgabe zu verringern. Für das Instrument ergeben sich – mit Ausnahme der hinzugefügten Subskala Emotionsregulation – akzeptable psychometrische Kennwerte (CFA) sowie Messinvarianz über die vier Messzeitpunkte. Als verhaltensnahe Indikatoren wurden zudem der soziometrische Status sowie die Selbst- und Fremdeinschätzung des „prosozialen Verhaltens“ (erfasst über die altersadaptierte Subskala des SDQ) erhoben. Das breite Spektrum dieser Teilaspekte wird ergänzt um die Erhebung von erwartbar einflussstarken Moderatorvariablen (Kognitive Grundfähigkeit, gemessen mit CFT; Sprachliche Fähigkeiten (drei Subtests der HSET). Zur Analyse von Wirkungsbeziehungen mit den Aspekten sozialer Kompetenz werden schulfachliche Leistungen (Mathematische Fähigkeit, DEMAT; Rechtschreibleistung, HSP) sowie schulfachnahe Fähigkeiten (Lesegewindigkeit, WLLP) erfasst. Der Studie liegt eine weitere angewandte Fragestellung zugrunde: Zeigt sich ein Einfluss des Anteils von Schülern mit anderer Primärsprache bzw. mit multilingualen Fähigkeiten auf die Entwicklung sozialer und schulfachlicher Fähigkeiten? Dazu wurde die Schulstichprobe in drei Teilsegmenten erhoben: Schulen mit geringer (ca. 10%), mittlerer (ca. 30%) und mit höherem Anteil von mehrsprachigen Schülern (ca. 50%). Bezogen auf die grundlagenwissenschaftliche Fragestellung ist es nicht gelungen, ein Gesamtkonstrukt der sozialen Kompetenz darzustellen. Die erfassten Teilaspekte hingegen weisen überwiegend akzeptable psychometrische Eigenschaften auf. Insbesondere hat es sich als möglich erwiesen, in einer sehr großen Stichprobe mit relativ hohen Verbleibensraten und kontinuierlicher Neuaufnahme hinzukommender Kinder die Instrumente wirksam einzusetzen. Die Kooperationsbereitschaft der Lehrkräfte war sehr erfreulich, was sicherlich auch durch die Rückmeldung von erhobenen Schulleistungsdaten gefördert wurde. Das Selbstkonzept der sozialen Kompetenz erweist sich als bemerkenswert stabil über die Grundschulzeit. Das in der Forschung z. T. berichtete Absinken von schulfachlichen Selbstkonzepten ist also nicht feststellbar. Sprachbezogene Kompositionseffekte lassen sich für das Selbstkonzept der sozialen Kompetenz nicht auffinden, während diese Aspekte der sozialen Selektivität für schulfachliche Leistungen in der Forschung durchweg aufgezeigt werden. Bezogen auf die Lesegeschwindigkeit erbringt die vorliegende Studie ein differenzierteres Bild: Die Ausgangsleistungen variieren bezogen auf den Anteil von mehrsprachigen Schülern in den Klassen. Über die vier Messzeitpunkte hinweg zeigt sich jedoch ein Interaktionseffekt für Klassen mit geringem und mittlerem Anteil von multilingualen Schülern, deren Leistungen sich angleichen. Offensichtlich gelingt es den Grundschulen, die sozialen Fähigkeiten ihrer Schüler, jedenfalls in deren Selbsteinschätzung, über Jahre stabil und auf relativ hohem Niveau zu halten. Die sprachbezogenen Herausforderungen für soziale Kompetenzaspekte (operationalisiert als Selbstkonzept sozialer Kompetenz) in multilingualen Klassen werden von den Schüler bewältigt; weder ein negativer und ebenso wenig ein förderlicher Effekt lassen sich auffinden. Die Erhebung des Längsschnitts wurde im Sommer 2010 abgeschlossen. Die hier vorgestellten Ergebnisse sollen durch weiterführende Auswertungen und Analysen des Datensatzes ergänzt werden. Mittelfristig ist geplant die Untersuchung mit adaptierten Verfahren für die Sekundarstufe fortzusetzen.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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(2009). Sprachliche Fähigkeiten von Grundschülern aus testdiagnostischer Sicht und aus Lehrerperspektive. In C. Röhner, C. Henrichwark & M. Hopf (Hrsg.), Europäisierung der Bildung - Konsequenzen und Herausforderungen für die Grundschulpädagogik (S. 118-122). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Chudaske, J., Hentschel, M., John, C., Lindner-Müller, C. & Arnold, K.-H.
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(2010). Soziale Kompetenz und schriftsprachliche Leistungen in den ersten Grundschuljahren. Zeitschrift für Grundschulforschung, 2, 21-33
Lindner-Müller, C., John, C., Lauterbach, O. & Arnold, K.-H.