Vermeidung des kohäsiven Versagens PVD-beschichteter Hartmetall-Zerspanwerkzeuge
Final Report Abstract
2.1. Kohäsives Versagen PVD- beschichteter Hartmetall-Zerspanwerkzeuge, d. h. Abplatzen der Schicht mit anhaftendem Substratmaterial während der Zerspanung, bedeutet in der Regel ein abruptes, unplanmäßiges Ende des Zerspanprozesses. Trotz aller Fortschritte bei der Beschichtungstechnologie kann kohäsives Versagen bisher nicht zuverlässig ausgeschlossen werden. Als Ursache für diese Versagensart wird der Eigenspannungszustand in der Substratrandzone angesehen, wo im Belastungsfall starke Zugspannungen auftreten können, die eine Schwächung des Materials bis hin zum Versagen bedeuten. Der Eigenspannungszustand in der Substratrandzone ist das Resultat der einzelnen Bearbeitungsschritte in der Prozesskette zur Beschichtungsvorbereitung, sowie des PVD- Beschichtungsprozesses selbst. Die Tiefenverteilung der Eigenspannungen über die Schichtdicke sowie über die äußere Randzone des Substrats ist nicht homogen, sondern sie weist Gradienten auf, die mithilfe moderner Röntgenbeugungsverfahren, wie z. B. der Streuvektormethode, dargestellt werden können. Die oberflächennahe Substratrandzone kann am unbelasteten Werkzeug tatsächlich einen Bereich aufweisen, der nahezu eigenspannungsfrei ist, oder sogar leichte Zugeigenspannungen enthält. Der Trend der Eigenspannungsentwicklung in der Prozesskette zur Herstellung PVD-beschichteter Hartmetall-Zerspanwerkzeuge wurde durch eine große Zahl von Einzelmessungen an Werkzeugen unterschiedlicher Hersteller prinzipiell bestätigt. Es zeigte sich allerdings, dass jeder einzelne Prozessschritt bei der Betrachtung aller Hersteller Streubreiten von mehr als 400 MPa aufweist. An Werkzeugen dreier unterschiedlicher kommerzieller Anbieter, deren Eigenspannungen von Schicht und Substrat nahezu die Mittelwerte aller untersuchter Werkzeuge aufweisen, wurden tiefenaufgelöste Eigenspannungsbestimmungen über die Schicht sowie über die zerstörungsfrei zugängliche Substratrandzone durchgeführt. Hier zeigen sich signifikante Unterschiede sowohl bei den Schicht- als auch bei den Substrateigenspannungen. Da alle drei Anbieter prinzipiell die gleiche Prozesskette anwenden (Sintern, Schleifen, Strahlen, Ätzen, Beschichten), ist offenbar die Auswahl der Parameter bei den einzelnen Prozessschritten für die unterschiedlichen Eigenspannungen verantwortlich. Analysen der tiefenaufgelösten Schichteigenspannungen zeigen, dass sowohl die Absolutwerte als auch die Streubreiten der Eigenspannungen stark vom jeweiligen Beschichter abhängen. Experimente mit Variationen einzelner Prozessparameter beim Schleifen, Strahlen und Ätzen zeigen nur geringe Einflussmöglichkeiten auf den Eigenspannungszustand der Substratrandzone. Die Mechanismen des Abbaus der Substrat- Druckeigenspannungen durch den PVD-Beschichtungsprozess konnten geklärt werden. Hierzu wurden zum einen Entschichtungsprozesse eingesetzt, zum anderen wurden „Beschichtungen“ maskierter Proben vorgenommen. Es zeigte sich, dass thermische Effekte während des PVD-Prozesses etwa für die Hälfte des Druckeigenspannungsabbaus verantwortlich sind, der Rest ist auf eine Kompensationswirkung der starken Schicht-Druckeigenspannungen zurückzuführen. Durch Auswertungen der zahlreichen Eigenspannungsbestimmungen konnte ein Zusammenhang zwischen Schicht- und Substrateigenspannungen gefunden werden, der besagt, dass stärkere Schicht-Druckeigenspannungen geringere Substrat-Druckeigenspannungen bedingen. Lokal aufgelöste Eigenspannungsmessungen mit Synchrotronstrahlung bestätigen diesen Befund. Einsatzversuche mit ausgewählten Werkzeugen zeigen eine Abhängigkeit des Standwegs sowohl von der Schicht- als auch von der Substrateigenspannung. Einige wenige Werkzeuge weisen kohäsives Versagen nach sehr kurzer Einsatzzeit auf. Ein Vergleich mit der zuvor bestimmten Eigenspannung zeigt, dass nicht allein die Eigenspannung für ein kohäsives Versagen verantwortlich sein kann. Zusätzlich müssen weitere Voraussetzungen, wie z. B. lokale Eigenspannungsinhomogenitäten oder Mikrorisse, im Substrat vorhanden sein, um kohäsives Versagen zu begünstigen. Ortsaufgelöste Synchrotronmessungen zeigen deutliche und unerwartet große Eigenspannungsinhomogenitäten sowohl im Substrat, als auch in der Schicht. Die Inhomogenitäten zeigen umgekehrte Vorzeichen: je stärker die Druckeigenspannung in der Schicht, desto geringer die Druckeigenspannungen im Substrat. Dieser Effekt ist durch die neu gewonnenen Erkenntnisse durch Kompensationswirkung zu erklären. Kohäsives Versagen ist eine Folge zu geringer Druckeigenspannungen in der oberflächennahen Randzone des Hartmetallsubstrats. Es konnte nachgewiesen werden, dass bei unbelasteten Werkzeugen sogar Zugeigenspannungen vorliegen können. Eine zusätzliche Zugbelastung während des Werkzeugeinsatzes verschiebt das Eigenspannungsniveau noch weiter in Richtung Zug. Hierdurch kann es zum Überschreiten eines kritischen Zugspannungswerts kommen. Eventuell im Material vorliegende Mikrorisse begünstigen ein spontanes kohäsives Versagen des Werkzeugs. 2.2. Die Untersuchungen haben gezeigt, dass Zugeigenspannungen in der Substratrandzone das Auftreten kohäsiven Werkzeugversagens begünstigen. Durch einfache Variation der Prozessparameter bei der Beschichtung vorgelagerten Prozessen gelingt es nicht, stärkere Druckeigenspannungen einzubringen oder Druckeigenspannungen mit einer größeren Wirktiefe zu erzeugen. Hier müssen zusätzliche oder alternative Prozesse gefunden werden, die das Auftreten von Zugeigenspannungen in der Substratrandzone verhindern. Diese Aufgabe kann möglicherweise im Rahmen der gerade stattfindenden Änderung der „klassischen“ Prozessketten zur Herstellung von Hartmetall-Zerspanwerkzeugen gelöst werden. Einige Werkzeuge werden bereits nach dem PSTS-Verfahren hergestellt (Press and Sinter to Size), bei dem beispielsweise der Schleifprozess entfallen kann. Die gefundenen Inhomogenitäten in der Eigenspannungsverteilung bergen ein großes Risiko der lokalen Überschreitung kritischer Zugeigenspannungswerte. Weitere Untersuchungen müssen diesen Befund erhärten. Es muss geklärt werden, ob der Ursprung der ungleichmäßigen Verteilung der Eigenspannungen im Beschichtungsprozess und/oder in der Beschichtung vorangehenden Prozessen zu finden ist. Die Ursache für die Inhomogenitäten muss gefunden werden, um Maßnahmen zu ihrer Beseitigung treffen zu können. Nicht jeder Zerspanprozess stellt die gleichen Anforderungen an das Werkzeug, daher ist es sinnvoll, applikationsangepasste Werkzeuge zu entwickeln. Teilweise wird dies bereits umgesetzt. In einem großen Eigenschaftsfenster können Werkzeuge über ihre Beschichtung den Anforderungen angepasst werden, häufig durch eine Kombination mehrerer oder vieler Schichten (Multilayer). Durch Erweiterung der Messmethoden können seit Kurzem auch solche Schichtsysteme bezüglich ihrer Eigenspannungen charakterisiert werden. Unter Berücksichtigung der im jetzt abgeschlossenen Vorhaben gewonnenen Erkenntnisse sollen in Zusammenarbeit mit einem Beschichter applikationsangepasste Werkzeuge entwickelt werden.
Publications
- 7th International Conference THE Coatings, Kassandra Chalkidiki, Greece, October 01-03, 2008, “Residual Stress Depth Distributions in Uncoated, PVD Coated and Decoated Carbide Cutting Tools”
B. Breidenstein
- Influence of the Residual Stress State on Cohesive Damage of PVD-Coated Carbide Cutting Tools, Advanced Engineering Materials, 10, 7, 613-616, 2008
Denkena, B.; Breidenstein, B.
- Residual Stress Depth Distributions in Uncoated, PVD Coated and Decoated Carbide Cutting Tools, Proceedings of the 7th International Conference “THE Coatings”, Kallithea-Chalkidiki, pp. 29-38, 2008
Denkena, B.; Breidenstein, B.; Gerdes, L.
- International Conference on Processing & Manufacturing of Advanced Materials, THERMEC’ 2009, “Residual Stress in PVD-Coated Carbide Cutting Inserts – Applications of the sin²ψ and the Scattering Vector Method”
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- 8th International Conference THE Coatings, Erlangen, April 14-15, 2010, “Pre PVD- Coating Processes and Their Effect on Substrate Residual Stress in Carbide Cutting Tools”
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- Pre PVD-Coating Processes and Their Effect on Substrate Residual Stress in Carbide Cutting Tools, Key Engineering Materials 438, 17-22, 2010
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- Residual Stress in PVD-Coated Carbide Cutting Inserts – Applications of the sin²ψ and the Scattering Vector Method, Materials Science Forum Vols. 638-642, pp. 2383-2388, 2010
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