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Exuberanz. Über die Ästhetik der Verausgabung in der szenischen Kunst
Antragstellerin
Asma Diakite
Fachliche Zuordnung
Theater- und Medienwissenschaften
Förderung
Förderung von 2017 bis 2019
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 366228774
In der vorliegenden Arbeit sollte der Frage nachgegangen werden, wie angesichts der fortwährenden Dramatisierung der Politik, der Medialisierung der Gesellschaft und des allgegenwärtigen Diktats der Selbstwerdung eine ästhetische Praxis jenseits des Modells der Handlung möglich ist. Anders gefragt: Wie sieht eine ästhetische Praxis aus, die Freiheit schafft? Dem voraus geht die Beobachtung der Beziehung von Wirklichkeit und Theater, in der das Theater nicht einfach der Wirklichkeit folgt, sondern theatrale Strukturen zunehmend die Arbeitswelt und soziale Beziehungen bestimmen. Die szenische Praxis der letzten Jahre hat diese Allianz von Performativität und Selbstoptimierung zunehmend reflektiert. Blicken wir auf diese Arbeiten wird eines deutlich: Strategien der Störung, der Verunsicherung, des Zerfalls und Transgression eröffnen einen neuen Diskurs um die Spezifikästhetischer Erfahrung und das subversive Potential der szenischen Kunst. Auf welche Weise also wird das Politische, das Ethische das Soziale im Theater der Gegenwart noch erfahrbar? In diesem liminalen Bereich von Kunst und Politik will ich den Begriff der Verausgabung des französischen Philosophen Georges Bataille verorten. Mit seinen Überlegungen zur Verausgabung sucht Bataille eine Möglichkeit solche Phänomene zu beschreiben, die sich der Vernunft, dem zweckmäßigen Handeln und der Produktivität entziehen. Auf der Suche nach dem „souveränen Sein“ stößt Bataille auf jene Formen der Verausgabung, die jegliche Ausübung von Macht unterbinden: das Opfer, der Potlatsch, die Revolte, die Erotik, der Exzess. Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für einen theaterwissenschaftlichen Diskurs, der danach fragt, wie sich das Ethische im Hinblick auf eine Ästhetik der Verausgabung zeigt? Bataille geht es letztendlich immer um die Freiheit: die Freiheit vom Handlungszwang, der Knechtschaft, der beschränkten Ökonomie, dem Moralismus. Diesen Spalt öffnet das Theater gerade dann, wenn es ein anderes Spiel als das der Produktivität in Gang setzt. Weil also die hier untersuchten künstlerischen Arbeiten das Verfemte und Verstoßene zulassen, bieten sie die Möglichkeit einer anderen – nämlich ästhetischen Erfahrung. Diese Erfahrung und die sie hervorbringende Ästhetik im Kontext einer Theorie der Verausgabung zu lesen, eröffnet ein Feld, auf dem sich zwei Freiheitsbegriffe verknüpfen lassen – die ästhetische Freiheit und die Freiheit des Menschen. Denn die Stärke einer Theorie der Verausgabung ist, dass sie die Gewalt der ästhetischen Erfahrung ästhetisch fasst und nicht psychologisch, ethisch oder politisch. Deshalb lässt sich die ästhetische Freiheit in Verknüpfung mit den Formen der Verausgabung als Erfahrung von Freiheit formulieren. Und es ist jene Verfasstheit der hier untersuchten „Spielweisen“ – nicht auf der diskursiven Ebene oder der Ebene der Handlung, jedoch durch die ästhetische Erfahrung, die sie ermöglichen – eine „positive Kollision“ zwischen dem Ästhetischen und dem Ethischen zu bewirken
DFG-Verfahren
Publikationsbeihilfen
