Ambivalent Recognition Order? Doing reproduction and doing family beyond the heterosexual nuclear family
Final Report Abstract
In Deutschland sind homo- und heterosexuelle Lebensformen zunehmend rechtlich gleichgestellt, doch bestehen zahlreiche soziale und institutionelle, insbesondere rechtliche Ungleichheiten für vielfältige Lebensformen fort. Aus einer ungleichheits-, anerkennungs- und geschlechtersoziologisch-queertheoretischen Perspektive untersuchten wir in dem Projekt das Reproduktionshandeln (doing reproduction) und die alltäglichen Herstellungsleistungen von Familie (doing family) von LGBT*Q-Familien. Theoretisch orientierte sich das Projekt u.a. an Honneths Anerkennungstheorie, an sozialkonstruktivistischen Geschlechter- und Familientheorien (doing gender und doing family), sowie der Queer Theory. Methodologische Grundlagen sind neben der Hermeneutischen Wissenssoziologie die Grounded Theory (Strauss 1994). Das Projekt verfolgte drei Fragenkomplexe: 1. Welche (Un-)Gleichheiten lassen sich in der institutionalisierten Anerkennungsordnung für nicht-heterosexuelle und z.T. nicht paarförmige (potentielle) Familien finden? 2. Wie werden Kinderwünsche realisiert bzw. nicht realisiert? Wie zeigt sich das doing reproduction der Familien vor dem Hintergrund der ambivalenten Anerkennungsordnung? 3. Wie gestaltet sich das doing family, also wie wird Familie in der Alltagspraxis hergestellt und welche Erfahrungen sozialer Ungleichheit, des Einund/oder Ausschlusses machen die Familien hierbei? Zunächst erarbeiteten wir eine Zusammenschau rechtlicher Ungleichheiten und analysierten die weitgehende Rechtlosigkeit sozialer Elternschaft. Anschließend arbeiteten wir empirisch anhand dreier exemplarischer Familienkonstellationen – Zwei-Mütter-Familien, Mehreltern- und trans* Familien – erstens heraus, wo Ungleichheiten in rechtlichen Regelungen fortbestehen und wie diese sich in die Familienpraxen von LGBT*Q-Familien einschreiben. Deutlich wurde, wie Mütter-Paare die Notwendigkeit einer Stiefkindadoption trotz Ehe als Hürde und Herabsetzung der Elternschaft der nicht-leiblichen Mutter erfahren, wie in Mehreltern-Familien den sozialen Eltern nahezu jegliche Rechte fehlen und dies zu weitreichenden Unsicherheiten und nachteiligen Lebensbedingungen führt. Schließlich zeigten wir, wie das Transsexuellengesetz (TSG) trans* Familien vermittelt, dass ihre Elternschaft explizit nicht vorgesehen ist und von ihnen als unerwünscht erfahren wird. Zweitens rekonstruierten wir Diskriminierungserfahrungen von vielfältigen Familien, auf die die Familien mit Normalisierungspraktiken reagieren. Wir verstehen ihr „Normalisierungshandeln“ (doing normality) innerhalb ihres doing family nicht als Ausdruck ihrer apolitischen Assimilation an die heteronormative Gesellschaft, wie es in der Literatur häufig dargestellt wird, sondern als aufwändige Bemühung, (antizipierte) Ausgrenzung und Gewalt abzuwenden. Analytisch unterschieden wir zwischen Normalisierung als diskursiver Praxis und Normalisierung als proaktiver Intervention. Drittens rekonstruierten wir unterschiedliche Arrangements der innerfamilialen Arbeitsteilung. Zentral für die Herstellung von Familie und das alltägliche doing family war, ob es den Befragten geling, mit etwaigen Ungleichheiten umzugehen, sie auszuhandeln und auf eine Art und Weise zu bewerten, die den familialen Zusammenhalt stärkt, anstatt ihn zu gefährden. Eine aus Sicht der Befragten ,gerechte‘ Aufteilung der Arbeit zu erlangen, war hoch fragil und erfordert bedeutsame Aushandlungen und Beziehungsarbeit. Entsprechend rekonstruierten wir unterschiedliche Kooperationsmodi, die wir als i) konsensuell segregierte (ungleiche), ii) konflikthaft segregierte (ungleiche), und iii) konsensuell balancierte (egalitäre) Arrangements fassen. Unsere Ergebnisse zeigen, dass Familien jenseits der Heteronorm weiterhin Diskriminierungen und Ungleichheiten erleben und mit diesen umgehen (müssen). Deutlich wird zudem, dass nicht die Familienform, sondern die Qualität der Beziehung entscheidend ist und vielfältige Familien sowie soziale Elternschaft auch rechtlich besser anerkannt werden müssen. Weiterhin fordern vielfältige Familien in ihren gelebten alltäglichen Praktiken und ihrem Familiesein (traditionelle) Familiennormen heraus, womit auch sozialer Wandel einhergeht. Neben einem Abbau rechtlicher Ungleichbehandlungen fordern wir in theoretischer Hinsicht u.a. ein „Queering“ der Familienforschung und der klassischen Soziologie sozialer Ungleichheit im Sinne einer stärkeren Berücksichtigung von Hetero-, Cis- und Paarnormativität – denn nicht nur Geschlecht, sondern auch sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität sind zentrale Determinanten sozialer Ungleichheit.
Publications
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Teschlade, Julia; Peukert, Almut; Wimbauer, Christine; Motakef, Mona; Holzleithner, Elisabeth
- (2020): Sonderheft GENDER: Elternschaft und Familie/n jenseits von Heteronormativität und Zweigeschlechtlichkeit. Opladen: Budrich
Peukert, Almut; Teschlade, Julia; Wimbauer, Christine; Motakef, Mona; Holzleithner, Elisabeth (Hrsg.)
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Linek, Leoni; Peukert, Almut; Teschlade, Julia; Motakef, Mona; Wimbauer, Christine