Modellentwicklung zur Lästigkeitsprognose bei gleichzeitiger Exposition von Schall und Schwingungen
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Verschiedene Vorhersagemodelle für die Gesamtlästigkeit von Schall und Sitzschwingungen innerhalb von Fahrzeugen, am Beispiel von Nutzfahrzeugen, wurden erstellt. Mit Hilfe der Vorhersagemodelle auf Basis von Messsignalen kann die von den Fahrer*innen wahrgenommene Lästigkeit prognostiziert werden ohne aufwendige Wahrnehmungsexperimente durchzuführen. Ein Schwerpunkt lag auf dem Vergleich zwischen der Lästigkeitsprognose von Lärm ohne Vibrationen und von Lärm mit gleichzeitigen Sitzschwingungen. Durch die Entwicklung beider Modellarten kann verglichen und beurteilt werden, ob die zusätzliche Vibration eine Steigerung der Lästigkeit zur Folge hat oder ob eine unimodale Betrachtung der Situation, d.h. nur auf Grundlage der Schalldruckverläufe, ausreichend ist. Aufgrund der gewählten Fragemethode lässt sich das Verhältnis der Lästigkeit verschiedener vibro-akustischer Fahrzeugszenen bilden, d.h. wie viel lästiger die eine Immissionssituation im Vergleich zur anderen ist (MAR-Multi Model Annoyance Ratio). Aber auch das Verhältnis der Lästigkeit einer akustischen und zwischen der äquivalenten oder einer anderen vibro-akustischen Szene lässt sich bilden. Um neben dem qualitativen Vergleich von Immissionssituationen den Anwendungsbereich der vorgeschlagenen Prognosemodelle zu erweitern, wurden die die Daten auf eine verbale Ebene transformiert, sodass zusätzlich jede Immissionssituation in 5 verschiedene Kategorien von „nicht lästig“ bis „sehr lästig“ eingeteilt werden kann (MARI-Multimodel Annoyance Rating Index). Ein weiterer Schwerpunkt bestand zudem darin zu untersuchen welche Signaleigenschaften von Schall und Vibrationen Einfluss auf die Gesamtlästigkeit haben, wie sie zusammenwirken und ob psychophysikalische Kenngrößen zur Vorhersage besser geeignet sind als bereits etablierte frequenzgewichtete gemittelte Kenngrößen. Die Ergebnisse zeigen, dass innerhalb der untersuchten Immissionsbeispiele der Lärm einen größeren Einfluss auf die Gesamtlästigkeit als die Vibrationen hat und eine Interaktion von Schall und Vibrationen zu einer Verbesserung der Vorhersage führen kann. Bei hohen Schalldruckpegeln scheint die Vibration weniger Einfluss auf die Lästigkeit der Immissionssituation als bei geringen Schalldruckpegeln, was einem Maskierungseffekt gleichkommt. Zudem zeigen die Ergebnisse, dass die Vorhersagen mit psychoakustischen Kenngrößen rein akustische als auch die vibro-akustische Immissionssituationen mehr als 10% besser vorhersagen können. Besonders tieffrequente Vibrationssignale, mit vergleichbaren frequenzgewichteten Vibrationsintensitäten, führen zu verschiedenen Lästigkeitsbewertungen. Durch die Erkenntnisse aus den Wahrnehmungsexperimenten und einer umfangreichen Datenbasis als Grundlage zur Modellierung ist eine Grundlage geschaffen, weitere vibro-taktile wahrnehmungsbasierte Parameter zu entwickeln, testen und validieren, welche zukünftig die vorhandenen Vorhersagemodelle für die Lästigkeit in Fahrzeugen erweitern und verbessern können.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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“Lästigkeit bei gleichzeitiger Exposition von Schall und Schwingungen,” in 7. in DAGA 2020 - 46nd German Annual Conference on Acoustics, 2020
M. Maravich & M. E. Altinsoy
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“ Vergleich von Schall und Sitzschwingungen in verschiedenen Fahrzeugtypen hinsichtlich ihrer Wahrnehmung,” in DAGA 2021 - 47nd German Annual Conference on Acoustics, 2021
M. Maravich & M. E. Altinsoy
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Influence of Seat Vibration Frequency on Total Annoyance and Interaction Effects Caused by Simultaneous Noise and Seat Vibrations in Commercial Vehicles. Vibration, 5(2), 183-199.
Maravich, Maria & Altinsoy, Ercan
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Annoyance Caused by Simultaneous Noise and Vibration in Commercial Vehicles: Multimodal Interaction and the Effects of Sinusoidal Components in Recorded Seat Vibrations. Vibration, 6(3), 536-555.
Maravich, Maria Mareen; Rosenkranz, Robert & Altinsoy, M. Ercan
