Transgenerationale phänotypische Plastizität beim Cypriniden Pimephales promelas
Biologie des Verhaltens und der Sinne
Evolution, Anthropologie
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Das Ziel des vorliegenden Forschungsprojektes war es, die durch den Umweltfaktor Prädation hervorgerufene transgenerationale Plastizität in der Dickkopfelritze Pimephales promelas umfassend zu erforschen. Diese Fischart ist ein häufiger Beutefisch in Nordamerika, welcher sich sexuell vermehrt und väterliche Brutpflege betreibt. Wir simulierten den Fischen gegenüber hohe Prädation, indem wir sie von Schlupf an kontinuierlich Alarmstoffen aussetzten. Diese Alarmstoffe gewannen wir aus der Haut von Artgenossen. Gleichzeitig fügten wir anderen Jungfischen zur Kontrolle reines Wasser hinzu, welches niedrige Prädation simulieren sollte. Insgesamt brüteten wir 4200 Fische in 18 Behandlungsgruppen aus. Mit Hilfe dieser Gruppen konnten wir erstens den Einfluss der elterlichen Umwelt mit dem Einfluss der Umwelt, welche die Nachkommen selbst erfahren, vergleichen. Zweitens war damit eine Betrachtung der über Sperma und Eizellen vermittelten Information gegenüber den durch Brutpflege vermittelten Informationen möglich. Zuletzt konnten wir den Einfluss der großelterlichen Umwelt mit dem Einfluss der elterlichen Umwelt vergleichen. Die innerhalb einer Generation auftretende Plastizität als Antwort auf simulierte hohe Prädation umfasste sowohl Verhaltensänderungen als auch morphologische Veränderungen. Wenn Fischschwärme gestört werden, werden sie dichter, was Vorteile in der Verteidigung gegenüber Prädatoren bietet. Allerdings erhöht sich durch die höhere Dichte auch der Wettbewerb zwischen den schwärmenden Fischen um Futter. Deshalb sollte es in einer Umgebung, wo aufgrund eines hohen Risikos, gefressen zu werden, oft dichte Schwärme gebildet werden müssen, theoretisch vorteilhaft sein, die Schwarmdichte nach einer Störung nur kurzfristig zu erhöhen. Wir konnten diese Theorie mit unserem Experiment bestätigen. Eine simulierte kontinuierlich hohe Prädation führte dazu, dass mit einer neuen mechanischen Störung konfrontierte Fischschwärme für eine kürzere Zeitperiode dichter wurden. Darüber hinaus veränderten die Dickkopfelritzen, welche simulierter hoher Prädation ausgesetzt wurden, ihre Schüchternheit. Bei simulierter niedriger Prädation gibt es einen positiven Zusammenhang zwischen Körpergröße und Schüchternheit, was daran liegt dass größere Fische größere Energiereserven haben, daher nicht so oft Futter benötigen, und deshalb scheuer sein können als kleine Fische. Allerdings gibt es diesen Zusammenhang unter simulierter hoher Prädation nicht mehr, denn kleine Fische sind auch einem größeren Risiko ausgesetzt, gefressen zu werden, und sollten deshalb schüchterner sein als große Fische. Zuletzt führte eine simulierte hohe Prädation zu einer alters- und geschlechtsabhängigen morphologischen Antwort. Unter simulierter hoher Prädation entwickelten Jungfische und erwachsene Männchen größere Köpfe, einen hochrückigeren Körper, längere Rückenflossenansätze, kürzere Schwanzflossenansätze und kürzere Schwanzflossen. Diese Anpassungen verbessern die Fluchtfähigkeiten der Fische und erschweren es ihren Räubern, sie in ihr nur begrenzt öffnungsfähiges Maul aufzunehmen. Zusätzlich entwickelten erwachsene Männchen, die simulierter hoher Prädation ausgesetzt wurden, eine größere relative Augengröße, welche es ihnen erlauben könnte, Prädatoren früher wahrzunehmen. Weibchen antworteten hingegen nicht mit einer morphologischen Anpassung auf simulierte hohe Prädation. Bei den generationsübergreifenden Antworten stellten wir zuerst fest, dass Weibchen die Information über simulierte hohe Prädation über ihre Eier an die nächste Generation weitergeben können, der Nachwuchs verhält sich im Anschluss so, als hätten sie selbst hohe Prädation wahrgenommen. Männchen gaben keine Informationen über ihre Spermien weiter, aber Fremdpflege-Experimente zeigten, dass sie diese Informationen stattdessen über ihre 4-tägige Brutpflege, welche bis zum Schlupf der Eier andauert, weitergeben. Pflegende Männchen, die simulierter hoher Prädation ausgesetzt waren, waren ausreichend, vergleichbare Verhaltensänderungen im Nachwuchs hervorzurufen wie es die genetischen Mütter, die der gleichen Umwelt entstammten, taten. War der Nachwuchs selbst simulierter hoher Prädation ausgesetzt, überwogen die dadurch hervorgerufenen Effekte die meisten elterlichen Effekte. Zudem konnten wir keine kumulativen Effekte finden, wenn Eltern und Nachwuchs der gleichen Umwelt ausgesetzt waren. Allerdings konnten wir Hinweise darauf finden, dass wenn die Umwelt der Väter und Mütter nicht übereinstimmt, die mütterlicherseits hervorgerufenen Effekte in manchen Fällen die Effekte der Umwelt, in der die Nachkommen aufwachsen, überwiegen können. Die Effekte der Umwelt der Großeltern waren nicht eindeutig. Fische, die drei Generationen lang hoher simulierter Prädation ausgesetzt wurden, verhielten sich in ihrem Schwarmverhalten wie Fische, die in der ersten Generation niedriger Prädation ausgesetzt wurden; diese Antwort wäre in der Natur wahrscheinlich nachteilhaft. Überraschenderweise konnten wir auch feststellen, dass Fische, die mehr als eine Generation lang hoher simulierter Prädation ausgesetzt wurden, keine Variation in der Schüchternheit zwischen Familien mehr zeigten. Reaktionsnormen über alle Generationen deuteten nicht darauf hin, dass sich die Fische mit Hilfe von phänotypischer Plastizität immer besser an ihre Umwelt anpassen konnten. Stattdessen führte es zu vergleichbaren Effekten, Fische eine Generation lang oder drei Generationen lang simulierter hoher Prädation auszusetzen. Diese Erkenntnisse zeigen erstmals, welche komplexen Effekte durch transgenerationale Plastizität während der sexuellen Reproduktion ausgelöst werden können und sollte weitere Forschung an diesen neuen Erkenntnissen stimulieren. Denn nur so können wir den Zusammenhang zwischen phänotypischer Plastizität und dem evolutionären Prozess besser verstehen.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
-
(2020) Increased Levels of Perceived Competition Decrease Juvenile Kin-Shoaling Preferences in a Cichlid Fish. The American naturalist 195 (5) 868–875
Thünken, Timo; Hesse, Saskia; Meuthen, Denis
-
2019. High background risk induces risk allocation rather than generalized neophobia in the fathead minnow. Behavioral Ecology 30:1416-1424
Meuthen, D., M. C. O. Ferrari, T. Lane, and D. P. Chivers
-
2019. Plasticity of boldness: high perceived risk eliminates a relationship between boldness and body size in fathead minnows. Animal Behaviour 147:25-32
Meuthen, D., M. C. O. Ferrari, T. Lane, and D. P. Chivers
-
2019. Predation risk induces age- and sex-specific morphological plastic responses in the fathead minnow Pimephales promelas. Scientific Reports 9:15378
Meuthen, D., M. C. O. Ferrari, T. Lane, and D. P. Chivers