Detailseite
Projekt Druckansicht

Die Rolle langfristiger Auswirkungen früher negativer Umwelteinflüsse auf das (anti-)soziale Gehirn

Fachliche Zuordnung Klinische Psychiatrie, Psychotherapie und Kinder- und Jugendpsychiatrie
Förderung Förderung von 2017 bis 2022
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 378004674
 
Erstellungsjahr 2023

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das Ziel des beantragten Projekts war es zu einem besseren Verständnis der Auswirkungen früher belastender Erfahrungen als auch protektiver Faktoren auf neuronaler Ebene und Verhaltensebene beizutragen. Hierzu wurden multimodale Daten mittels Neuroimaging, e-Tagebüchern, klinischer Interviews und Fragebögen im Rahmen der longitudinalen Mannheimer Risikokinderstudie (MARS, n=256) erfasst. Zusätzlich wurden vorhandene Daten aus anderen Kohorten ausgewertet sowie Metanalysen zur quantitativen Zusammenfassung der bisherigen Datenlage im Feld durchgeführt. Mittels Meta-analysen konnten wir zeigen, dass sich frühe ungünstige psychosoziale Umstände in einer veränderten Aktivität des superioren frontalen Gyrus, der Amygdala, des Putamens sowie des Precuneus widerspiegeln. Weiterhin war die veränderte Aktivität in der Amygdala von einer veränderten Konnektivität zum anterioren Cingulum (ACC) und Hippocampus verbunden und Volumenveränderungen in der Amygdala und dem ACC stützten die Plastizität dieser limbischen Areale gegenüber frühen Widrigkeiten auf der strukturellen Ebene. Im longitudinalen MARS-Datensatz stellte sich speziell bei frühem Stress in der Kindheit im Vergleich zu späterem ein langfristiger Effekt auf die präfrontale kortikale Dicke sowie vermehrte depressive Symptomatik heraus. Die im Gehirn weit verbreiteten strukturellen Veränderungen in Folge von lebenslangen Risiken erwiesen sich im Erwachsenenalter als stabil und replizierbar über verschiedene Kohorten, wobei individuelle neurobiologische Abweichungen von diesen Veränderungen erhöhte Angstsymptomatik prädizierten. Die potentielle klinische Relevanz solcher individueller Abweichungen von neuronalen Entwicklungstrajektorien wurde zusätzlich bei Patienten mit einer Störung des Sozialverhaltens untermauert. Hinsichtlich funktioneller Daten schlugen sich psychosoziale Risiken in veränderter Belohnungsund Emotionsverarbeitung nieder, was sich in einer geringeren Modulation von Erwartungswert und Vorhersagefehlern in präfrontalen und striatalen Regionen, einer höheren Sensitivität im ACC gegenüber Zurückweisung sowie in einer verringerten präfrontalen regulatorischen Aktivität und whole-brain Konnektivität während Emotionsregulation zeigte. In Bezug auf Schutzfaktoren erwiesen sich höhere affektive und kognitive präfrontale Kontrolle, temporale und parietale Aktivität während affektiver Empathie als prädiktiv für das Wohlbefinden während der Pandemie. Allgemein zeigten soziale Interaktionen sowohl kurzfristig als auch langfristig protektive Effekte. Vor und während der Pandemie war der kurzfristige individuelle Nutzen lediglich bei face-to-face Interaktionen, nicht aber solchen auf digitaler Ebene zu verzeichnen, und dabei abhängig von Amygdalavolumen, Genetik und Persönlichkeit. Langfristige dem Risiko entgegenwirkende Effekte von positiven sozialen Interaktionen wurden weiterhin in Bezug auf ADHS sowie auf neuronale Belohnungs- und Emotionsverarbeitung demonstriert. Zusammenfassend bestätigen unsere Ergebnisse sowohl die kurz- als auch langfristigen aversiven als auch protektiven Effekte der sozialen Umwelt auf behaviorale als auch auf neurobiologische Phänotypen, z.B. das limbische und striatale System sowie präfrontale regulierende Instanzen betreffend. Weiterhin erwiesen sich langfristige strukturelle Veränderungen auf Ebene des Gesamthirns als stabil und replizierbar. In Bezug auf die Hirn-Verhaltensbeziehung, konnte der prädiktive Wert regulatorischer und affektiver Hirnaktivität gezeigt werden und die Befunde deuten darauf hin, dass individuelle neurobiologische Abweichungen von normativen Modellen ein vielversprechender zukünftiger Weg zur Untersuchung von Hirn-Verhaltens-Assoziationen darstellen könnten.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

Zusatzinformationen

Textvergrößerung und Kontrastanpassung