Nominale Kategorisierung und Seinsart in afrikanischen Sprachen am Beispiel des Mbembe (Jukunoid, Benue-Kongo, Niger-Kongo) in Nigeria und Kamerun
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Das Projekt konnte sehr erfolgreich abgeschlossen werden. Als wichtigste wissenschaftliche Fortschritte wurden neue und vorher nicht absehbare Einblicke in die Entwicklungsgeschichte der Nominalmorphologie und des Verbalsystems des Mbembe und des Zentraljukunoid gewonnen. So lässt sich einerseits eine im gesamten Zentraljukunoid ausgeprägte Tendenz zum Abbau finaler Phoneme beobachten. Im Süden – und somit im Mbembe kommt hier eine Reduktion wortinitialer Silben hinzu. Dies resultiert in der Entwicklung verschiedener Strategien, die den Verlust wortklassenmarkierender Formantien kompensieren. Neben diesen internen Dynamiken im Zentraljukunoid, deren ursprüngliche Motivation nicht geklärt ist, hat sprachlicher Wandel vielfältigster Art im Kontext von Konvergenz innerhalb wenigstens zweier linguistischer Areale stattgefunden. Während im Norden Jukun und Tschadisch kontaktinduziert einen fast gänzlichen Verlust nominaler Kategorisierungssysteme aufweisen, ist im Süden – im Mbembe – die Entwicklung von suffigierten, paarigen Nominalklassen zu beobachten, die ebenfalls charakteristisch für Tivoid und z.T. auch Mambiloid sind. Im Mbembe sind die Klassensuffixe zwar kaum noch produktiv, es lassen sich aber Hierarchien bei der Entstehung obsoleter Formen beobachten. Seinsart als grammatische Kategorie des Nomens spielt durch den Verlust von Produktivität im Bereich der Pluralbildung keine Rolle. Überraschende Ergebnisse sind vor allem im Bereich der diachronen Analyse erzielt worden. Das heutige Verbreitungsgebiet der Sprache wurde erst relativ rezent von den Mbembe besiedelt. Kontaktphänonene, wie etwa die Entstehung von Suffixklassen, sind somit mit früheren Migrationen und alten Kontaktsituationen korrelierbar. Interne Dynamiken, die zur Ausbildung unterschiedlicher phonologischer Merkmale geographisch-dialektaler Mbembe-Varianten führten, haben offenbar auch einen kultur- und sozialgeschichtlichen Kontext, der noch wenig verstanden wird. Die bisherigen Einblicke in Pragmatik und linguistische Anthropologie des Jukun und seiner Nachbarn versprechen bereits eine Anzahl faszinierender, neuer Erkenntnisse zu den kulturellen und sozialgeschichtlichen Kontexten von Sprachwandel und der Entstehung sprachlicher Varitäten. In einer der linguistisch diversifiziertesten Regionen weltweit wäre dies ein wichtiges neues Forschungsfeld, das helfen würde, die Dynamiken und Stimulantien von Sprachwandel, wie er im Jukun in extremer Form stattfindet, besser zu verstehen. Gerade der kultur- und sozialgeschichtliche Kontext von Sprachpraxis und Sprachgeschichte , der aber immer erst dann erschlossen werden kann, wenn eine solide deskriptive Basis existiert, findet auch Interesse in den sog. Publikumsmedien, wo linguistische Forschung ein breites Publikum interessieren dürfte.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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2010. How to Keep Languages Apart: Chadic and Jukunoid in Contact. In P. Zima (ed.), The Verb and Related Areal Features in West Africa., 234-268. Munich: Lincom
Storch, Anne