Nicht-klassische Nukleation und Kristallisation und flüssige Vorstufen von pharmazeutischen Wirkstoffen
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Das übergeordnete Ziel dieses Projekts war, ein besseres Verständnis der Nukleation bis hin zur Kristallbildung von kleinen organischen Molekülen zu erlangen. Hierfür wurden die Wirkstoffe Ibuprofen, Diclofenac, Flurbiprofen und Celecoxib untersucht. Mittels eines eigens entwickelten Titrations-Assays konnten verschiedene Stadien der Nukleation identifiziert werden und die Löslichkeit der pharmazeutischen Wirkstoffe bestimmt werden. Im Falle des Ibuprofen konnte eine dichte flüssige Phase beobachtet werden und mittels 1H NMR-Spektroskopie ein Phasendiagramm von Ibuprofen in Wasser bei Raumtemperatur konstruiert werden inklusive der Binodalen und der Spinodalen. Die dichte flüssige Phase wurde ebenfalls hinsichtlich ihrer molekularen Dynamik mittels 1H NMR-Spektroskopie untersucht. Dabei wurde festgestellt, dass sowohl die Translationsdiffusion, als auch die Rotationsdiffusion stark verlangsamt war. Eine Analyse der intermolekularen Abstände des Ibuprofen in der dichten flüssigen Phase mittels 1H NOESY NMR ergab, dass diese den intermolekularen Abständen in der endgültigen Kristallstruktur entsprechen. Daher kann die dichte flüssige Phase als direkte Vorläuferphase für den Kristall betrachtet werden und stellt ein metastabiles Intermediat dar, welches durch die eingeschränkte Diffusion kinetisch stabilisiert wird und dadurch erst zu einem späteren Zeitpunkt kristallisiert. Die Bildung der dichten flüssigen Phase sowie die weitere Entwicklung lokaler Ordnung innerhalb der flüssigen Phase bis hin zur finalen Kristallisation konnte in allen Stadien mittels cryo-TEM verfolgt werden. Im Falle des Diclofenac konnte der Prozess der Nukleation und Kristallbildung mittels cryo- TEM ebenfalls genauestens verfolgt werden. Anfänglich führt die Route über die Bildung zusammenhängender diffuser Aggregate zu verfestigten globulären Einheiten, die sich weiter verdichten. Zu einem späteren Zeitpunkt lässt sich eine kristalline Ordnung über die Anwesenheit von Beugungsphänomenen feststellen. In der AUZ konnte eine intermediäre Spezies während der Nukleation von Diclofenac in Lösung nachgewiesen werden. Mittels der Variation der Dichte der Lösung mittels D2O konnte die Dichte und Größe dieser Spezies bestimmt werden. Ein Vergleich mit den Dichten des Diclofenac in Lösung und der des Kristalls ergab, dass die beobachtete Spezies ein verdichtetes Intermediat im Nukleationsprozess des Diclofenac ist. Somit wurde nachgewiesen, dass die beiden Modellsysteme Ibuprofen und Diclofenac amorphe intermediäre Spezies aufweisen. Obwohl sich diese in ihren physikalisch-chemischen Eigenschaften voneinander unterscheiden, konnte das Prinzip der Verdichtung vor der Entstehung einer kristallinen Ordnung in beiden Systemen beobachtet werden. Insgesamt tragen die Ergebnisse des Projektes wesentlich zu einem erheblich verbesserten Verständnis der Mechanismen der Nukleation von organischen Molekülen in Lösung bei. In Zukunft kann dies insbesondere zur Entwicklung neuer, schnell wirksamer flüssiger Formulierungen von Medikamenten beitragen und hat somit erhebliches Anwendungspotential.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Liquid Metastable Precursors of Ibuprofen as Aqueous Nucleation Intermediates, Angewandte Chemie, International Edition, 58 (2019) 19103 - 19109
Wiedenbeck, E., Kovermann, M., Gebauer, D., & Cölfen, H.
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Potentiometric Titration Method for the Determination of Solubility Limits and pK(a) Values of Weak Organic Acids in Water, Analytical Chemistry 92 (2020) 9511 – 9515
Wiedenbeck, E., Gebauer, D. & Cölfen, H.