Verarbeitung pragmatischer und prosodischer Information in transaktionalen Diskursen bei Kindern und Erwachsenen: Untersuchungen mit Ereigniskorrelierten Potentialen und Pupillometrie
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Erwachsene Hörer sind sehr kompetente Nutzer pragmatischer und prosodischer Information auf Dialogebene. Bereits bei passiver akustischer Dialogverarbeitung, d.h. auch ohne explizite kontinuierliche Aufgabenstellung, zeigen sie in den Ereigniskorrelierten Potentialen (EKP) sowohl bei prosodisch markierten als auch bei unmarkierten Fokuspositionen einen Fokusinduzierten Positiven Shift (FPS). Zusätzlich kann eine prosodische Mismatch-Reaktion (N400) bei fehlender prosodischer Markierung nachgewiesen werden. Diese Muster treten sowohl bei neuer als auch korrigierender Information auf. Im Unterschied zu EKPs spiegelt die Pupillenreaktion die kognitive Ressourcenkonsumption eines Probanden bei der Dialogverarbeitung wider. Dieser Aufwand ist zum einen aufgabenabhängig, d.h. ohne explizite Aufgabenstellung beim einfachen Zuhören mit sporadischen Aufmerksamkeitsfragen zeigen sich bei Erwachsenen keine Unterschiede in den pupillometrischen Daten zwischen allen Bedingungen. Dies korrespondiert mit Befunden aus der Literatur, wonach die Pupillenreaktion die kognitive Ressourcenkonsumption bei expliziten Entscheidungsanforderungen, nicht aber bei beiläufigen bzw. impliziten Aufgabenstellungen, anzeigt. Übereinstimmend damit konnten wir nachweisen, dass der kognitive Aufwand bei expliziter prosodischer Aufgabenstellung abhängig ist von der Art der Information, die ein Hörer verarbeitet. Die Verarbeitung neuer Information fordert im Dialog mehr kognitive Ressourcen als die Verarbeitung korrigierender Information. Dieser Mehraufwand spiegelt sich in einer erhöhten Pupillendilatation wider. Die behavioralen Ergebnisse können diesen kognitiven Mehraufwand nicht differenzieren. Damit erweist sich die aufgabenabhängige Pupillenraktion als ein wichtiger Parameter, der genauer Aufschluss über die Funktionsspezifik des kognitiven Systems bei der Bewältigung wohlbestimmter Anforderungen gibt. Die effiziente Verarbeitung dialoggebunder Information ist bereits im Alter von 12 Jahren ausgeprägt. Das belegen die erwachsenenähnlichen EKPs in dieser Alterskohorte. 12-Jährige erkennen sicher Fokuspositionen unabhängig davon, ob sie prosodisch markiert oder unmarkiert sind. 8-jährige Hörer dagegen scheinen neue und korrigierende Information noch nicht gleichermaßen zu verarbeiten. Ein FPS ist in dieser Alterskohorte nur bei prosodisch markierter, korrigierender Information zu beobachten. Bei diesen Bedingungen scheint sich die unterschiedliche Ressourcenkonsumption in Abhängigkeit vom Informationstyp widerzuspiegeln, die mithilfe der Pupillometrie bei Erwachsenen nachgewiesen werden konnte. 5-Jährige dagegen zeigen noch kein fokusgebundenes Verarbeitungsmuster. Zusammenfassend lassen sich aus unseren bisherigen Ergebnissen die folgenden Aussagen treffen: 1. Unsere Befunde zeigen, dass sich die Fähigkeit zur Extraktion pragmatischer und prosodischer Information über die untersuchten Alterskohorten hinweg kontinuierlich entwickelt. 5-Jährige zeigen noch kein fokuskorreliertes Hirnpotential, Kinder im Alter von 8 Jahren dagegen können prosodisch markierte Fokusinformation bei korrigierender Information nutzen, weisen jedoch kein entsprechendes Hirnkorrelat bei neuer Information auf. Im Alter von 12 Jahren sind Kinder in der Lage, sicher und effizient pragmatische und prosodische Information zu nutzen. 2. EKP und Pupillometrie spiegeln unterschiedliche Aspekte der Informationsverarbeitung wider. Während mittels EKP vor allem die konzeptuell-strukturelle Satzverarbeitung abgebildet werden kann, spiegeln die Pupillenbefunde die unterschiedliche Ressourcenkonsumption während der Verarbeitung unterschiedlicher Typen von Informationsfoki wider. Die Verarbeitung neuer Informationen erfordert bei erwachsenen Probanden deutlich höhere kognitive Ressourcen als die Verarbeitung der Korrektur einer Information. Das lässt sich anhand der signifikant größeren Pupillendilatationen bei diesem Informationstyp nachweisen. 3. Alle untersuchten Alterskohorten zeigen im EKP ein N400-Muster bei fehlender prosodischer Realisierung (Inadäquatheit) eines pragmatischen Fokus. Bei erwachsenen Probanden führt die inadäquate prosodische Realisierung zudem zu einer größeren Pupillendilatation gegenüber der prosodisch adäquat realisierten Bedingung. Dies ist ein Indiz für die höhere kognitive Ressourcenkonsumption.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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03.06.2008: „Fishing for information: How children learn to interpret focus“, „Brain Talk: Discourse with and in the brain“ Konferenz in Lund (Schweden)
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03.11.2008: „Developmental aspects in discourse comprehension”, „5th Annual Meeting of the Lemanic Neuroscience Programs” in Les Diablerets/Schweiz
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(2009). How children handle dialog information: An ERP investigation of focus processing, Journal of Cognitive Neuroscience: Supplement, p. 188
Pannekamp, A., Toepel, U. & van der Meer, E.
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20.08.2009: “Passive and Active Discourse Processing: Effects of Task Instruction on the Pupillary Response”, „28th Colloquium on the Pupil“ in Champion/Pittsburgh (USA)
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Fishing for information: The interpretation of focus in dialogs. in: Horne, M., von Koss Torkildsen, J, Lindgren, M., Alter, K. (Eds.): Brain talk: Discourse with and in the brain. Lund University
Toepel, U., Pannekamp, A. & van der Meer, E.
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In the eye of the listener: Investigating discourse processing applying pupillometrics, International Journal of Psychophysiology
Zellin, M., Pannekamp, A., Toepel, U. & van der Meer, E.