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Interpretation und Verarbeitung von Quantoren in strukturell ambigen Sätzen: Neue Erkenntnisse aus dem Spracherwerb
Antragsteller
Professor Hedde Zeijlstra, Ph.D.
Fachliche Zuordnung
Allgemeine und Vergleichende Sprachwissenschaft, Experimentelle Linguistik, Typologie, Außereuropäische Sprachen
Förderung
Förderung von 2017 bis 2022
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 385963910
Sätze wie *Alle Piraten sind nicht zurück auf das Schiff gegangen* und *Der Kapitän hat nicht mit einer Meerjungfrau getanzt* lösen eine sog. Skopus-ambiguität aus: Sie erhalten unterschiedliche Interpretationen, je nachdem, ob die Operatoren alle/einer und nicht abhän-gig von der Wortstellung, in der sie vorkommen (Oberflächenskopus) oder in umgekehrter Reihenfolge (inverser Skopus) interpretiert werden. Als Lesart des 1. Satzes kommt entweder *Nicht alle Piraten gingen zurück auf das Schiff* oder *Kein Pirat ging zurück auf das Schiff* infrage. Für den 2. Satz ergeben sich die Lesarten *Der Kapitän hat mit keiner der Meerjungfrauen getanzt* oder *Es gibt eine Meerjungfrau, mit der der Kapitän nicht getanzt hat*. In Sätzen mit einer analogen Struktur zu den oben genannten Beispielen gestaltet es sich als weitaus schwieriger (wenn nicht sogar unmöglich), eine Lesart mit inversem Skopus zu erhalten, wenn alle hinter nicht bzw. eine vor nicht steht. Die Sätze *Der Kapitän hat nicht alle Erdbeeren gegessen* und *Eine Meerjungfrau hat nicht mit dem Kapitän getanzt* schei-nen nur die Interpretation mit Oberflächenskopus zuzulassen. Gibt es ein allgemeines Prinzip, das dieses Muster erklärt? Die theoretische Generalisierung, die die Verfügbarkeit von Lesar-ten mit inversem Skopus voraussagt, baut auf dem Konzept der logical strength auf. Die In-terpretation mit inversem Skopus ist nur dann verfügbar, wenn sie nicht logisch stärker ist als die korrespondierende Lesart mit Oberflächenskopus. Wir stellen die folgenden zentralen Fragen: (i) Warum und wie bestimmt die logische Stärke die Verfügbarkeit von Skopus-interpre¬tationen? (ii) Gibt es einen semantischen Filter, der den syntaktischen Mechanismus, den Skopus der Operatoren zu verändern, blockiert? (iii) Besteht eine Verbindung zwischen diesem Verhalten und dem Zusammenspiel von pragmatischen Schlussfolgerungen, von denen bekannt ist, dass sie durch das Prinzip der logischen Stärke bestimmt werden? (iv) Signalisiert letztlich die Intonation, welche Interpretation vom Spre-cher übermittelt wird?Untersuchungen des Spracherwerbs bilden einen optimalen Weg, Einsicht in die oben gestell-ten Fragen zu erhalten, da sich hier verschiedene Phasen identifizieren lassen, in denen Kinder grammatisch relevante Aspekte, die zur Kontrolle von Skopus-ambiguitäten (pragmatische Anreicherung, Prosodie etc.) beitragen können, erwerben. Die Art und Weise, wie Kinder Skopusambiguitäten meistern, gibt daher auch Antworten auf die Frage, wie Skopusverschie-bung mit pragmatischen Schlussfolgerungen, Prosodie und anderen Prozessen korreliert.Das vorliegende Projekt umfasst eine Serie von 6 Experimenten mit Erwachsenen und 4 bis 5-jährigen Kindern, um offline semantische Urteile und online Eyetracking¬daten zu gewinnen. Die Resultate werden zu einem neueren und besseren Verständnis von Skopus-ambiguitäten und ihrem Zusammenspiel mit syntaktischen, semantischen und pragmatischen Prinzipien und Verarbeitungsfaktoren führen.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen
Mitverantwortliche
Professorin Dr. Nivedita Mani; Professor Dr. Markus Steinbach