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Nicht-Hermitesche Quantenmechanik in der Theorie der elektronischen Struktur

Fachliche Zuordnung Theoretische Chemie: Elektronenstruktur, Dynamik, Simulation
Förderung Förderung von 2017 bis 2020
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 387825248
 
Erstellungsjahr 2021

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Elektronische Resonanzen sind Zustände, die instabil gegenüber dem Verlust eines Elektrons sind. Diese Zustände sind allgegenwärtig in hochenergetischen Umgebungen wie Plasmen, in Verbrennungsprozessen sowie in Gegenwart ionisierender Strahlung. Resonanzen sind außerdem relevant für Prozesse in kondensierter Phase, die unter milderen Bedingungen ablaufen, zum Beispiel die plasmonische Katalyse. Ebenso spielen sie eine Rolle bei der Schädigung von lebendem Gewebe durch ionisierende Strahlung. Da Resonanzen in das Kontinuum eingebettet sind, sind ihre Wellenfunktionen nicht quadratisch integrierbar und können nicht durch die Standardmethoden der Quantenchemie, die für gebundene Zustände entwickelt wurden, beschrieben werden. In diesem Projekt wurden Methoden und Konzepte aus der Quantenchemie der gebundenen Zustände auf elektronische Resonanzen erweitert, indem moderne Elektronenstrukturmethoden mit Ansätzen aus der nichthermiteschen Quantenmechanik verbunden wurden. Diese Ansätze verwenden komplexe Variablen, was eine Beschreibung von elektronischen Resonanzen in Form von L2-integrierbaren Wellenfunktionen mit komplexen Energieeigenwerten ermöglicht. Die verschiedenen nichthermiteschen Ansätze, also komplexe Skalierung, komplex skalierte Basisfunktionen und komplexe absorbierende Potentiale, wurden analysiert und im Hinblick auf ihre Anwendbarkeit auf verschiedene Typen von elektronischen Resonanzen geprüft, insbesondere temporäre Anionen und Stark-Resonanzen, die sich in quasistatischen elektrischen Feldern bilden. Die Entwicklung analytischer Gradienten für Coupled-Cluster-Methoden mit komplexen absorbierenden Potentialen ermöglichte die Untersuchung von Potentialenergiehyperflächen von mehratomigen temporären Anionen. Besondere Punkte wie Gleichgewichtsstrukturen, Schnittflächen zweier Hyperflächen und exzeptionelle Punkte konnten lokalisiert und charakterisiert werden. Unsere numerischen Ergebnisse belegen die Relevanz dieser Punkte für chemische Reaktionen und Spektroskopien unter Beteiligung von Resonanzzuständen. Die Entwicklung von Integralschranken und einer “Resolution-of-the-identity”-Näherung für komplex skalierte Basisfunktionen erlaubte die Ausarbeitung einer Methode auf Grundlage der Møller-Plesset-Storungstheorie zweiter Ordnung (MP2), die für die Behandlung der Ionisation von Molekülen mit bis zu 40 Atomen in statischen elektrischen Feldern geeignet ist. Systeme dieser Größenordnung sind mit Coupled-Cluster-Methoden nicht behandelbar. Unsere numerischen Ergebnisse deuten darauf hin, dass MP2 eine qualitativ korrekte Beschreibung der Starkfeldionisation liefert und den Großteil des enormen Einflusses erfasst, den Elektronenkorrelation auf die Ionisationsrate hat. Die Ergebnisse des vorliegenden Projektes haben dazu beigetragen, neue Möglichkeiten für die theoretische Beschreibung von Resonanzzuständen zu schaffen. Obwohl einige formale Probleme noch gelöst werden müssen und ihre numerische Leistungsfähigkeit hinter der von Methoden für gebundene Zustände zurückbleibt, stellen die in diesem Projekt entwickelten Methoden bereits eine nützliche Bereicherung der Quantenchemie dar. Dementsprechend wurden die Methoden in verschiedenen Anwendungen zur Deutung experimenteller Photodetachmentspektren, Elektronentransmissionsspektren und Elektronenenergieverlustspektren verwendet. Weitere Forschung an Elektronenstrukturmethoden mit komplexwertigen Variablen ist bereits im Gange und eröffnet die Perspektive, diese Methoden noch praktikabler zu machen, so dass sie sich langfristig als Routinemethoden in der Quantenchemie etablieren können.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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