Diskursive Weisheit - das Proverbienbuch und die Toratradition
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Das Projekt „Diskursive Weisheit" hatte zum Ziel, die Verbindungen zwischen dem Proverbienbuch und der Toratradition zu untersuchen. Anhand einer traditionsgeschichtlichen Fragestellung, die in methodischer Hinsicht Ergebnisse der jüngeren literaturwissenschaftlichen Forschung aufgreift, sollte die Aufnahme und Abgrenzung der Proverbien gegenüber der ‚Tora' analysiert werden. Dabei wurden die Gemeinsamkeiten und Unterschiede als Ausdruck eines theologischen Diskurses in der spätpersischen und hellenistischen Zeit gewertet, der in der Überwindung des Gegensatzes von Weisheit und Gesetz zu den weisheitlichen Schriften des antiken Judentums (Sirach, Qumran, Sapientia Salomonis) hinführt und dem weitere Texte zugeordnet werden können. Eine der leitenden Arbeitshypothesen war, dass die weisheitliche Tradition gegenüber der Größe ‚Tora‘ eine ‚mitlaufende Alternative‘ darstellt, bei der Theologumena zwar aufgegriffen, jedoch anders eingebunden werden, als dies in der Literatur der Zeit der Fall ist. Im Laufe der Arbeit stellte sich heraus, dass es sinnvoll ist, von einem bestimmten Kapitel des Proverbienbuches auszugehen. In Aufgriff von Textbeobachtungen der älteren Forschung wurde Prov. 2 in den Mittelpunkt der Arbeit gestellt. Von diesem Kapitel ausgehend wurden die Sammlung Prov. 1-9 und die Rahmenpassagen des Proverbienbuches untersucht sowie andere Text in den Blick genommen (Jer 31, Ps 37 etc.). Dabei bestätigte sich die Ausgangshypothese des Projektes: Das Proverbienbuch kann einem theologischen Diskurs zugeordnet werden kann, der um das Verhältnis von Weisheit und Tora kreiste und der ‚quer' zu den biblischen Büchern verlief. Dieser Diskurs erhielt seine innere Dynamik durch Aufgriff und Abgrenzung vom Deuteronomium. Auf der Ebene der Rahmenpartien des Proverbienbuches (Prov. 1-9; 30-31) ist dies in den so genannten ‚Zehn Lehrreden' (Prov. 1-7*) erkennbar. Die ähnlich aufgebauten und offenbar einem literarischen Schema folgenden weisheitlichen Lehrreden beziehen sich in höchst charakteristischer Weise auf das Deuteronomium. Prov. 3; 6 und 7 zitieren das deuteronomisch-deuteronomistische Lehrkonzept von Dtn 6,4-9 (Dtn 11,18-20), bieten jedoch unterschiedliche Verhältnisbestimmungen von Weisheit und Tora. Es zeigt sich auf der Ebene der zehn Lehrreden ein literarischer Diskurs um die Leistungsfähigkeit weisheitlicher Unterweisung (im Verhältnis zu ‚Tora'), der im Zuge der Redaktion des Proverbienbuches nach und nach zugespitzt wurde. Während in Prov. 2 in Aufgriff einer theologischen Linie von Prov. 3, 6 und 7 noch die weisheitliche Lehrrede als ein Medium der Unterweisung in der ‚Tora' erscheint, markieren die ebenfalls im Stil einer weisheitlichen Lehrrede gestalteten „Sprüche Agurs' in 30,1-14 gerade den Unterschied zwischen der Weisheit und dem, was der Mensch zu leisten vermag. Ähnlich der weisheitlichen Kritik in Jer 8,8f wird eine Position entfaltet, derzufolge der Mensch gerade nicht in der Lage ist, den göttlichen Willen, verschriftet in der Tora, in seinem Leben umzusetzen. Die Ergebnisse des Projektes wurden in der Monographie „Hermeneutik der Tora. Studien zur Traditionsgeschichte von Prov. 2 und zur Komposition von Prov. 1-9" (BZAW 432) im Jahr 2012 veröffentlicht.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Das Proverbienbuch und die Toratradition, in: Zeitschrift für Theologie und Kirche 108 (2011), S. 381-404
Bernd U. Schipper
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Hermeneutik der Tora. Studien zur Traditionsgeschichte von Prov 2 und zur Komposition von Prov 1-9 (Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft 432), Berlin / Boston: de Gruyter 2012
Bernd U. Schipper
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The Discourse on Torah and the Composition of the Book of Proverbs, in: Schipper/Teeter (eds.), Wisdom and Torah. The Reception of Torah in the Wisdom literature of the Second Temple Period (Journal for the Study of Judaism, Supplement Series), Leiden / Boston: Brill 2013
Bernd U. Schipper
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Wisdom and Torah. The Reception of Torah in the Wisdom literature of the Second Temple Period (Journal for the Study of Judaism, Supplement Series), Leiden / Boston: Brill 2013
Bernd U. Schipper, D.A. Teeter (Hg.)