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Wettbewerbsregulierung im Wirtschaftswunder. Die Kartellrechtspraxis der Bundesrepublik vor dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, 1948/49-1958
Antragsteller
Professor Dr. Sebastian Teupe
Fachliche Zuordnung
Wirtschafts- und Sozialgeschichte
Förderung
Förderung von 2017 bis 2023
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 388105383
Das Forschungsprojekt möchte die Kartellrechtspraxis in der Zeit des deutschen "Wirtschaftswunders" untersuchen, um das Wechselspiel von rechtlichen Bestimmungen und unternehmerischen Praktiken vor dem Hintergrund der wettbewerbspolitischen Zäsur nach dem Ende des 2. Weltkriegs neu zu bewerten. Die Handlungsspielräume deutscher Unternehmen sind historisch fast ausschließlich mit Blick auf das erst 1957 verabschiedete Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) betrachtet worden. Die durch Besatzungsrecht und Urteile deutscher Gerichte bestimmte Kartellrechtspraxis der unmittelbaren Nachkriegszeit ist bisher nicht untersucht. Das Projekt möchte diese Forschungslücke unter Verfolgung einer dreifachen Zielsetzung schließen. Erstens soll das Projekt einen empirischen Beitrag zum historischen Wechselverhältnis von Recht und Wirtschaft leisten. Die von den Alliierten forcierte wettbewerbspolitische Zäsur stieß nicht nur in öffentlichen Protesten, sondern auch in den alltäglichen Praktiken der Unternehmen auf Widerstand. Die rechtlichen Konflikte zwangen die Gerichte zu einer Auslegung der alliierten Bestimmungen, die ihren Gehalt erst definierte. Das Projekt soll klären, inwieweit es den deutschen Unternehmen gelang, ihre Argumente, Handlungen und Traditionen vor Gericht durchzusetzen.Zweitens soll das Projekt eine Bestimmung der progressiven und konservativen Kräfte innerhalb der deutschen Richterschaft im Übergang zu einer modernen Marktwirtschaft ermöglichen. Die Akzeptanz wettbewerbspolitischer Grundsätze durch die Gerichte war eine Bedingung dafür, die vor dem Hintergrund des GWB im Laufe der 1960er Jahre gegeben war. Offen ist dagegen, inwieweit einzelnen Gerichten bereits in den frühen 1950er Jahren eine Vorreiterrolle bei der Durchsetzung des neuen Kartellrechts zukam. Das Projekt soll die Frage klären, ob und wenn ja welche Gerichte zentrale Elemente des späteren GWB mit ihren Entscheidungen bereits vorwegnahmen. Drittens liefert das Projekt einen bisher nicht berücksichtigten Erklärungsansatz zu der seit Jahrzehnten diskutierten Frage, welche Faktoren die konkrete Ausgestaltung des GWB bestimmten. Die historische Forschung hat vor allem den Einfluss der US-Amerikaner, die Rolle ökonomischer Ideen oder die Interessen deutscher Unternehmer betrachtet. Das Projekt erweitert das Angebot an Erklärungen, indem es die Frage aufwirft, ob das GWB von 1957 einen Bruch markierte oder lediglich die zu diesem Zeitpunkt bereits etablierte Kartellrechtspraxis sanktionierte. Für die Beantwortung der Fragestellungen werden in dem Projekt gerichtliche Entscheidungen und unternehmenshistorische Quellen gesammelt, systematisiert und in einen wechselseitigen Bezug zueinander gesetzt. Die Ergebnisse sollen in Form eines Zeitschriftenartikels, eines Themenhefts, einer Datenbank, zwei Workshops und einer themenverwandten Dissertationsschrift gesichert werden.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen
Mitverantwortliche
Professor Dr. Jan-Otmar Hesse; Professor Dr. Bernd Kannowski; Professor Dr. Diethelm Klippel (†); Professor Dr. Louis Pahlow