Das Programm "Kulturhauptstadt Europas" im Spannungsfeld lokal-urbaner und internationaler Kulturpolitiken: eine Beobachtung und Analyse der Debatten und Bewerbungsstrategien deutscher Städte für das Kulturhauptstadtjahr 2025
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Die „Kulturhauptstadt Europas“ gilt als ein kulturpolitisches Vorzeigeprogramm der Europäischen Union. Auf eine Initiative der griechischen Kulturpolitikerin Melina Mercouri in den 1980er Jahren zurückgehend, sollte damit ein Gegengewicht gegen ein rein ökonomisches Verständnis der europäischen Einigung gesetzt werden. Ausgestaltung (Governance) und programmatische Ausrichtung der Initiative haben seit den Anfängen markante Anpassungen erfahren. Mittlerweile werden für jedes Jahr zwei bis drei Städte aus verschiedenen Ländern vorab zu Kulturhauptstädten Europas ernannt; diese werden durch eine internationale Expertenjury ausgewählt. Seit 2014 stand fest, dass Deutschland im Jahr 2025 wieder eine Kulturhauptstadt stellen und voraussichtlich Ende 2020 der diesbezügliche zweistufige Auswahlprozess abgeschlossen sein sollte. In einer Reihe deutscher Städte wurden Überlegungen angestellt, sich für das Kulturhauptstadtjahr 2025 zu bewerben; schließlich reichten acht Städte eine Bewerbung ein. Diese Einreichung wurde in den Kandidatenstädten durch zahlreiche Veranstaltungen und Aktivitäten vorbereitet. Hier setzte das Forschungsprojekt an. Zwar lag bis dahin eine vielfältige interdisziplinäre Literatur zum Kulturhauptstadt-Programm vor, doch ruhte deren Fokus in der Regel auf den ernannten Kulturhauptstädten und nicht dem Auswahlverfahren oder den Bewerberstädten. Das Projekt beobachtete mit Methoden qualitativer Sozialforschung (teilnehmende Beobachtungen und Interviews) sowie mit der Analyse von Dokumenten das bundesweite Auswahlverfahren und die Bewerbungsaktivitäten der acht deutschen Bewerberstädte für das Kulturhauptstadtjahr 2025. Mit diesem grundsätzlichen Ansatz, mit dem Umfang und der Zeitdauer der eigenen empirischen Erhebungen schließt das Projekt eine Lücke in der interdisziplinären Forschung. Neben prozeduralen Fragestellungen (Governance, Rolle verschiedener Akteursgruppen im Bewerbungsprozess) interessierten die Debatten und inhaltlichen Schwerpunktsetzungen in den Bewerberstädten. Das Projekt identifizierte verschiedene, teils kompatible, teils antagonistische Lesarten des EU-Programms. Dessen relativer Erfolg lässt sich u. a. dadurch erklären, dass Akteursgruppen mit tendenziell unterschiedlichen Lesarten sich hinter der Kulturhauptstadt-Idee vereinen können. Ferner wurden die Debatten in den Bewerberstädten zu stadt-, kultur-, europa- und gesellschaftspolitischen Themen analysiert; diese haben einen zeitdiagnostischen Mehrwert.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Running for the European Capital of Culture: The German candidate cities for 2025 at a glance. In: Schneider, W. & K. Jacobsen (Hg.): Transforming Cities. Paradigms and Potentials of Urban Development Within the „European Capital of Culture“. Hildesheim: 71–77 (ISBN 978-3-487-15796-2)
Lendl, J. & T. Schmitt
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Cultural governance. Cultural Governance, 29-46. Routledge.
Schmitt, Thomas
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Das EU-Format „Kulturhauptstadt Europas“ zwischen lokalen und internationalen Kulturpolitiken. Einsichten aus dem deutschen Auswahlverfahren für die Kulturhauptstadt 2025 (Heidelberg Papers in Heritage Studies & Cultural Policy Vol. 1). Heidelberg: arthistoricum.net.
Schmitt, T. & Lendl, J.
