Carbonsäureaggregation: Vom anharmonischen Referenzsystem bis zur chemischen Bildgebung
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Der Komplex aus zwei Ameisensäuremolekülen ist eines der bestuntersuchten Modellsysteme für Wasserstoffbrücken und der einfachste organisch-chemische Vertreter mit zwei derartigen, besonders symmetrischen Molekülverknüpfungen. Seine Symmetrie bedingt den kombinierten Einsatz Infrarot- und Raman-spektroskopischer Methoden in Überschallgasexpansionen, wenn man die Schwingungsdynamik verstehen möchte. Dies ist in dem Projekt erstmals für sämtliche Molekülgerüstschwingungen gelungen, sodass nun Hoffnung besteht, auch den recht chaotischen Energiefluss in den besonders schnellen OH-Streckschwingungen besser zu verstehen, die die Wasserstoffbrücken modulieren. Dabei war die Aufspaltung der einzelnen Ameisensäureschwingungen in gleichsinnige und gegensinnige Paarkombinationen von besonderem Interesse, weil sie etwas über die Synchronisation der Bewegung im Komplex verrät. Außerdem konnte der Anlagerungskomplex aus einem einzelnen Ameisensäuremolekül und einem Molekülpaar erstmals systematisch charakterisiert werden. Er liefert sowohl Information für die weitere Aggregation bis hin zur Kondensation als auch für das bisher lediglich unter eingebetteten Bedingungen nachweisbare Molekülpaar mit nur einer Wasserstoffbrücke. All diese quantitativen experimentellen Befunde stehen nun der theoretischen Chemie zur Verfügung, die damit ihre Elektronenstruktur- und Kernschwingungsmethoden an einem realistischen Wasserstoffbrückenkomplex testen kann. Erste methodische Schwächen und Stärken konnten bereits aufgeklärt werden, weitere sind in mehreren Theoriegruppen in Arbeit. Dieser Prozess des Leistungsvergleichs ist Thema eines örtlichen Graduiertenkollegs, zu dem das Projekt einen hilfreichen Auftakt beigesteuert hat. Dabei spielt auch die für die Chemie typische Variation der Molekülreste unter Beibehaltung der wesentlichen Carbonsäuregruppe eine zentrale Rolle, um zufällige von systematischen Simulationserfolgen zu unterscheiden. Das experimentelle Verständnis des Ameisensüauredimers und -trimers ist mit diesem Projekt auch etwa 150 Jahre nach den ersten Beobachtungen einer Gasphasenaggregation noch einmal ganz erheblich vorangekommen und nun ist die numerische Quantenchemie an der Reihe, um zu zeigen, wie gut sie die molekulare Wirklichkeit modellieren kann.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- Dinitrogen as a Sensor for Metastable Carboxylic Acid Dimers and a Weak Hydrogen Bond Benchmarking Tool. J. Phys. Chem. A. 122 (2018) 2933-2946
Sönke Oswald, Enno Meyer, Martin A. Suhm
(Siehe online unter https://doi.org/10.1021/acs.jpca.8b00334) - Vibrational Exciton Coupling in Homo and Hetero Dimers of Carboxylic Acids Studied by Linear Infrared and Raman Jet Spectroscopy. J. Chem. Phys. 149 (2018) 104307
Katharina A. E. Meyer, Martin A. Suhm
(Siehe online unter https://doi.org/10.1063/1.5043400) - Carboxylic Acids Under Vibrational Scrutiny: Experimental Reference Data to Benchmark Quantum Chemical Calculations, Dissertation, 2019, Universität Göttingen
Katharina A. E. Meyer
(Siehe online unter https://dx.doi.org/10.53846/goediss-8262) - Concerted Pair Motion Due to Double Hydrogen Bonding: The Formic Acid Dimer Case. J. Indian Inst. Sci. 100 (2020) 5–19
Arman Nejad, Martin A. Suhm
(Siehe online unter https://doi.org/10.1007/s41745-019-00137-5) - Shifting formic acid dimers into perspective: vibrational scrutiny in helium nanodroplets, Phys. Chem. Chem. Phys. 22 (2020) 9637-9646
Katharina A. E. Meyer, Julia A. Davies, Andrew M. Ellis
(Siehe online unter https://doi.org/10.1039/d0cp01060j) - CC-stretched formic acid: isomerisation, dimerisation, and carboxylic acid complexation, Phys. Chem. Chem. Phys. 23 (2021) 17208–17223
Katharina A. E. Meyer, Arman Nejad
(Siehe online unter https://doi.org/10.1039/d1cp02700j) - Slow monomer vibrations in formic acid dimer: Stepping up the ladder with FTIR and Raman jet spectroscopy, J. Chem. Phys. 155 (2021) 224301
Arman Nejad, Katharina A. E. Meyer, Franz Kollipost, Zhifeng Xue, Martin A. Suhm
(Siehe online unter https://doi.org/10.1063/5.0075272)