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Öffentliche und private Entschuldungsversuche im Euroraum
Antragsteller
Professor Dr. Gernot Müller
Fachliche Zuordnung
Wirtschaftspolitik, Angewandte Volkswirtschaftslehre
Förderung
Förderung von 2017 bis 2020
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 389003009
Wir untersuchen, wie sich private und öffentliche Entschuldungsversuche auf die makroökonomische Entwicklung in einzelnen Krisenländern des Euroraums ausgewirkt haben. Insbesondere analysieren wir die Auswirkung auf die Arbeitslosenquote. Im Hinblick auf die Entschuldungsversuche im Privatsektor gehen wir davon aus, dass diese freiwillig erfolgen können; etwa, weil das Nettovermögen der Haushalte geschrumpft ist, oder wegen einer Verschlechterung der Einkommensaussichten. Alternativ kann die Entschuldung auch seitens der Gläubiger erzwungen sein. Bei der öffentlichen Entschuldung (Sparpolitik) unterscheiden wir zwischen Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen. Dabei ist zu beachten, dass als Folge von Entschuldungsversuchen die Schuldenquoten ansteigen können, wenn es zu einem starken Rückgang des BIP kommt.Wir betrachten öffentliche und private Entschuldungsversuche aus einer einheitlichen Perspektive, weil a) beide Schlüsselfaktoren sind, wenn es darum geht, die schwache makroökonomische Entwicklung in den Krisenländern zu erklären, b) sie konzeptionell eng verwandt sind und c) sich vermutlich gegenseitig verstärken. Unsere Untersuchung hat zwei Ziele. Erstens wollen wir den Beitrag von privaten und öffentlichen Entschuldungsversuchen zum Anstieg der Arbeitslosenquote in einzelnen Krisenländern quantifizieren. Zweitens wollen wir auf theoretischer Ebene untersuchen, wie öffentliche und private Entschuldungsversuche zusammenspielen. Hierbei analysieren wir auch die Verteilungswirkungen verschiedener Sparpolitiken und bestimmen die optimale Politik im Hinblick auf die gesamtwirtschaftliche Wohlfahrt.Wir führen unsere Analyse im Rahmen eines strukturellen Modells durch, das zentrale Aspekte einer kleinen offenen Volkswirtschaft abbildet, die Mitglied einer Währungsunion ist. Um zu quantifizieren, wie stark die Entschuldungsversuche zum Anstieg der Arbeitslosenquoten beigetragen haben, kalibrieren wir das Modell auf einzelne Krisenländer, lösen das Modell unter Absehung von Unsicherheit und führen kontrafaktische Analysen durch. Um das zweite Ziel zu erreichen, betrachten wir eine erweiterte Modellversion, die wir auch unter Unsicherheit lösen. Dadurch ergibt sich die Möglichkeit, das Vorsichtssparen der Haushalte zu erfassen, das möglicherweise als Reaktion auf die Sparpolitik ansteigt.Das Projekt ist in zweierlei Hinsicht besonders innovativ. Zum einen lösen wir ein komplexes Konjunkturmodell global und unter Berücksichtigung von Unsicherheit. Das ist die Voraussetzung dafür, die nicht-linearen Dynamiken, und hier insbesondere das Zusammenspiel von privaten und öffentlichen Entschuldungsversuchen, vollständig zu erfassen. Zum anderen leistet unsere Analyse einen wichtigen Beitrag zur laufenden Debatte über die Rolle der Sparpolitik, in der es darum geht, die schwache wirtschaftliche Leistung in den Krisenstaaten der Eurozone zu erklären. Diese Debatte ist im Moment nicht hinreichend durch wissenschaftliche Analysen fundiert.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen