Detailseite
Projekt Druckansicht

Nomadenstaatbildung und Urbanisierung an der nördlichen Seidenstraße: Die frühmittelalterliche Stadt Dzhankent (Aral-See-Gebiet, Kasachstan)

Fachliche Zuordnung Ur- und Frühgeschichte (weltweit)
Förderung Förderung von 2017 bis 2023
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 389351859
 
Erstellungsjahr 2024

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Dieses Projekt befasst sich mit den Faktoren, die im Frühmittelalter zur Entstehung von Städten in einer zuvor nicht urbanisierten Region Zentralasiens, führten. Während arabische Schriftquellen des 10. Jahrhunderts Dzhankent (türkisch für „Neue Stadt“) als Hauptstadt der Oguz (einer Föderation türkischer Nomadenstämme) erwähnen, belegen unsere neuen archäologischen Funde und C14-Daten aus der verlassenen Stadt am unteren Syr-darja einen viel früheren Ursprung der Siedlung, nämlich im 6. Jahrhundert – und damit genau zu der Zeit, als der Handel auf der nördlichen Seidenstraße durch diese Region einsetzte. Funden zufolge gab es dann sehr bald Kontakte zum südlicher gelegenen Handelszentrum Choresmien am Amu-darja. Ein faszinierender Fund aus dieser Phase ist das Skelett einer Katze aus dem späten 8. Jahrhundert, die erste in dieser Region ausgegrabene Hauskatze. Im späten 9. Jahrhundert, nach der Einwanderung der Oguz und wahrscheinlich unter ihrer Kontrolle, wurde die Siedlung als ummauerte Planstadt nach choresmischem Muster neu angelegt, allerdings ohne die monumentalen Gebäude, wie sie für Zentren von “Nomadenstaaten” dieser Zeit typisch waren. In dieser neuen Form existierte Dzhankent nicht viel länger als ein Jahrhundert, eine kurzlebige „boom town“ an der Kreuzung der nördlichen Seidenstraße und dem dokumentierten Nord-Süd-Handel zwischen Zentralasien und Nordeuropa. Naturwissenschaftliche Analysen von Proben aus einem eigenartigen Anbau an der nördlichen Stadtmauer legen nahe, dass dies einst ein Sklavenpferch war, was wiederum darauf schließen lässt, dass Dzhankent eine Rolle im florierenden Sklavenhandel dieser Zeit gespielt haben könnte – und dann aufgegeben wurde, als dieser Handel im späten 10. oder frühen 11. Jahrhundert versiegte. Es dürfte kein Zufall sein, dass der historisch dokumentierte Zerfall des „Nomadenstaats“ der Oguz genau in diese Zeit fiel. Umweltveränderungen könnten ein zusätzlicher Faktor gewesen sein, verlässliche Belege dafür gibt es jedoch nicht. Die Stadtgeschichte, wie sie sich aus den Ergebnissen unseres Projekts und aus dem historischen Kontext ergibt, verdeutlicht hier ein Zusammenspiel von Faktoren bei der Entstehung der Stadtwerdung: Geografie, Handel und Bevölkerungsstruktur.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

Zusatzinformationen

Textvergrößerung und Kontrastanpassung