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Christentum und Demokratie in Lateinamerika - Zur religiösen Prägung staatsbürgerlicher Praxis in katholischen und protestantischen Organisationen Boliviens, Guatemalas und Argentiniens

Antragsteller Tobias Reu, Ph.D.
Fachliche Zuordnung Ethnologie und Europäische Ethnologie
Förderung Förderung von 2017 bis 2022
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 390092447
 
Erstellungsjahr 2023

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das Christentum ist in lateinamerikanischen Gesellschaften fest verankert. In den letzten Jahrzehnten verändert es jedoch sein Gesicht. Während der gesellschaftliche Einfluss der katholischen Kirchenhierarchie fast überall abnimmt, erfreuen sich evangelikale Kirchen, aber auch katholische Laienbewegungen und die populären Heiligenfeste einer lebhaften Teilnahme. Im Lichte fortwährender Armut, mangelnder Gesundheitsversorgung und fehlenden Schutzes vor krimineller Gewalt suchen viele Menschen eine Verbesserung ihrer Situation in Gott und der Teilnahme an christlicher Gemeinschaft. Gleichzeitig verändert das Aufkommen von christlichkonservativen Akteur:innen, die für Autoritarismus stehen und gegen progressive Politik zu Themen wie Abtreibung, Gender, soziale Gerechtigkeit und dem Schutz indigener Territorien eintreten, in vielen Ländern das Wesen der Demokratie. Es liegt nahe, einen Grund für den kritischen Zustand der Demokratie in den Lehren zu weltlicher und göttlicher Autorität zu vermuten, die in vielen Kirchen gepredigt werden. Jedoch offenbaren sich bei genauerem Hinschauen einige Details, die einfache Schlüsse verbieten. Zum einen verläuft der religiöse Wandel keinesfalls so homogen, wie es allgemeine Charakterisierungen bezüglich der Ausbreitung des charismatischen Christentums oder der Bedeutung von Religion im Umgang mit persönlichen und gesellschaftlichen Krisen erscheinen lassen. Zum anderen sind auch die Haltungen, Praktiken und ethischen Prinzipien divers, die die Gläubigen aus christlichen Gemeinschaften in die weltliche Gesellschaft mitnehmen. Ziel dieses Projekts war es daher, einen Überblick über die Einflüsse zu gewinnen, die die Glaubenspraxis auf das Verständnis des Selbst im Kontext von Staat und weltlicher Gesellschaft hat. Besonderes Augenmerk wurde auf den interkonfessionellen Vergleich gelegt sowie auf die kulturellen Elemente, die zivilgesellschaftlichen Gepflogenheiten und religiöser Praxis eine spezifische Gestalt verleihen. Die Forschung mit katholischen und protestantischen Gruppierungen in Argentinien, Bolivien und Guatemala ergab, dass die Arbeit am eigenen Glauben, das Gebet für göttliche Intervention in gesellschaftliche Belange und die Evangelisation des sozialen Umfelds im Selbstverständnis christlicher Staatsbürgerschaft eine umfassende Rolle spielen. Während die Gläubigen all das häufig als Beitrag zur religiösen Bekehrung der eigenen Nation verstehen, zeigten sich an den drei Orten jedoch deutliche Unterschiede in der Gewichtung und praktischen Ausprägung dieser drei Themen. Religiöse Fundamentalismen erscheinen in vielen Teilen der Welt als ein zentrales Risiko für die Stabilität der Demokratie. Am Beispiel des Christentums in Lateinamerika tragen die Ergebnisse dieses Forschungsprojekts zu einem besseren Verständnis der Auswirkungen bei, den religiöse Gemeinschaften auf die Ausformung von staatsbürgerlichen Werten und Praktiken sowie auf die demokratische Kultur haben.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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