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Vom Rind zur Ware. Die Transformation von Tier-Ökonomien und Wissensregimen im französischen Kolonialreich, 1890-1960

Antragsteller Dr. Samuël Coghe
Fachliche Zuordnung Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung Förderung von 2018 bis 2024
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 390148801
 
Mit dem vorliegenden Projekt soll am Beispiel der Rinderzucht im französischen Kolonialreich (ca. 1890-1960) die Integration peripherer kolonialer Räume in eine sich ausdehnende kapitalistische Weltwirtschaft untersucht werden. Um die Jahrhundertwende gelangten viele Veterinärmediziner, Verwaltungsbeamte und Unternehmer zu der Überzeugung, dass die bereits vorhandene Rinderzucht in den französischen Kolonien, allen voran in Französisch-Westafrika, Madagaskar und Indochina, ein großes wirtschaftliches Potential darstellte. Um aus den Rindern eine profitable Ware zu machen, müssten jedoch die häufig als irrational kritisierten Praktiken und Haltungen der lokalen Viehzüchter verändert und die gesamte Verwertungskette modernisiert werden. Deshalb konzipierten sie eine Reihe von Interventionen, die von der Verbesserung lokaler Rinderrassen und neuen Methoden in der Bekämpfung von Rinderseuchen über die Besteuerung von Rindern und die Sesshaftmachung von Viehzüchtern bis hin zur Errichtung von Fleischfabriken und neuen Handelsnetzwerken reichten.Anhand eines breiten Spektrums an veröffentlichten und archivalischen Quellen werden in diesem Projekt die Gründe, Dynamiken und Folgen solcher Interventionen analysiert. Es zeigt, dass diese ökonomischen Prozesse auch eng mit sozialen Veränderungen, neuen Subjektivitäten und neuartigen Formen von Expertenwissen verknüpft waren. Besondere Aufmerksamkeit wird dabei der häufig ambivalenten Rolle von Veterinärwissenschaftlern sowie ihren Konflikten und Aushandlungen über Wissen mit indigenen Akteuren zuteil. Die Hauptarbeitsthese dieses Projektes ist, dass die kolonialen Interventionen aufgrund indigener agency und praktischer Probleme die Wirtschaftspraktiken und Weltsichten der lokalen Bevölkerung vielerorts nicht gänzlich zu ändern vermochten, aber im Laufe der Kolonialzeit häufig auch andere, nicht intendierte und weitreichende Folgen zeitigten. Die Analyse der bislang kaum untersuchten Geschichte der kolonialen Viehzucht verspricht wichtige neue Einsichten für die Geschichte des globalen Kapitalismus, der landwirtschaftlichen Entwicklung und kolonialer Wissensregime. Im Vergleich zu den zahlreichen Studien über koloniale cash crops geraten andere, insbesondere pastorale, indigene Akteure und Gesellschaften, andere Expertengruppen, Wissenspraktiken, Räume und Konfliktlinien in den Mittelpunkt. Indem das Projekt französische Kolonien in unterschiedlichen Teilen Afrikas und Asiens untersucht, eignet es sich außerdem nicht nur dazu, Unterschiede und Ähnlichkeiten zwischen einzelnen Kolonien herauszustellen, sondern auch die üblichen Grenzziehungen der area studies zu überwinden und eine globalere Sicht auf den französischen Kolonialismus zu gewinnen. Gleichzeitig geht es über den üblichen historiographischen Fokus auf das britische Empire hinaus und trägt so zu einem differenzierteren Bild des kolonialen Kapitalismus und der landwirtschaftlichen Entwicklung im Globalen Süden bei.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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