Die Neujustierung des Nachhaltigkeitsprinzips im Verwaltungsrecht, insbesondere im Umwelt- und Planungsrecht - Lückenschluss in der Nachhaltigkeitsdogmatik nach neuseeländischem Vorbild
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Nachhaltigkeit ist als politisches und rechtliches Leitprinzip in der völkerrechtlichen Diskussion allgegenwärtig. Von dort aus hat es seinen Siegeszug über das europäische Recht in das nationale Recht in Deutschland genommen. Auch in Neuseeland hat es erheblichen Einfluss erlangt und ist vom völkerrechtlichen Geburtsort in die nationale Rechsordnung übernommen worden. Die deutsche wie auch die neuseeländische Rechtsordnung haben unterschiedliche Instrumente und Strukturen entwickelt, um der Nachhaltigkeit in den jeweiligen Rechtsordnungen zur Wirksamkeit zu verhelfen. Im deutschen Recht findet sich von jeher ein sehr ausgeprägter Instrumenten- und Wertekanon, der viele Nachhaltigkeitselemente in sich trägt. Überdies ist das deutsche Recht stark durchnormiert und bis in kleinste Einzelheiten ausgestaltet. Demgegenüber setzt das neuseeländische Umwelt- und Planungsrecht auf eine Regelungsstruktur, an deren erste Stelle ein nachhaltiges Ressourcenmanagement gestellt worden ist. Dieses bedarf noch der Ausgestaltung durch Regelwerke unterschiedlicher Ebenen, die allerdings bislang nur unzureichend in Neuseeland erarbeitet wurden. Das deutsche Recht zeichnet sich im Verhältnis zum neuseeländischen Recht dadurch aus, dass es durch seine starke Determination für große Rechtssicherheit sorgt, gleichzeitig aber unbeweglich ist, um neue Prinzipien, wie zum Teil auch das Nachhaltigkeitsprinzip, in sich aufzunehmen. Es erweist sich insbes. als defizitär, lediglich den Nachhaltigkeitsaspekt als abstrakten Leitwert der Rechtsordnung voranzustellen, ihn allerdings nicht in konkrete Standards und Einzelregelungen zu übersetzen. Das neuseeländische Recht hat demgegenüber den Vorteil, genau für eine solche Transformationsleistung offener und flexibler zu sein, muss allerdings mit dem Mangel kämpfen, dass diese Transformationsleistung durch die politischen Akteure überwiegend nicht geleistet wird. Als Konsequenz entsteht deshalb in Neuseeland ein Steuerungsdefizit. Aus dem Vergleich beider Rechtssysteme lassen sich Erkenntnisse ableiten, wie das deutsche Verwaltungsrecht hinsichtlich des Nachhaltigkeitsgedankens weiterentwickelt werden kann. An erster Stelle ist eine veränderte Bewusstseinsbildung im Umgang mit Nachhaltigkeitsgehalten in Deutschland notwendig. Anders als im neuseeländischen Recht fehlen dem deutschen Recht klare Begrifflichkeiten, die den Bezug zur Nachhaltigkeit verdeutlichen. So wäre es etwa angebracht, statt von einer Baugenehmigung von einer Ressourcengenehmigung zu sprechen, um den ressourcenverbrauchenden Charakter einer Baugenehmigung zu veranschaulichen. Des Weiteren zeigt sich, dass das deutsche Rechtssystem darauf angewiesen ist, die Nachhaltigkeitsgehalte in das bestehende starre Gesetzeswerk zu überführen. Dies gilt nicht nur für Geund Verbote, die durch den nationalen Gesetzgeber erlassen werden, sondern auch für untergesetzliche Regelwerke und Richtwerte, die insbes. Standards im Umweltbereich definieren. Das abstrakte Prinzip der Nachhaltigkeit kann anderenfalls nicht auf eine automatische Durchlässigkeit des starren und verzweigten Regelwerks in Deutschland hoffen. Auf der Ebene des Planungsrechts ist es notwendig, der Nachhaltigkeit dadurch zur Durchsetzung zu verhelfen, dass man ihm eine hervorgehobene, verbindliche Stellung beimisst. Schließlich bietet es sich an, Nachhaltigkeit in die Verfassung aufzunehmen. Als neuer Art. 20b GG könnte das Nachhaltigkeitsprinzip so nicht nur als Kontrollmaßstab für das einfache Recht dienen, sondern auch als Wertemaßstab Ermessens- und Abwägungsentscheidungen anleiten. Schließlich wäre damit ein nachhaltigkeitsbezogener Wert geschaffen, der das Leben der Gesellschaft als solches ausrichten könnte. Optimistisch betrachtet, wäre damit sogar die Geburtsstunde eines nachhaltigkeitsbezogenen gesellschaftlichen Steuerungsimpulses geschaffen, der durch die objektive Wertentscheidung der Verfassung nachdrücklich getragen wäre. Dies entspräche auch dem in Neuseeland anzutreffenden Maori-Gedankengut, welches als fester Baustein des gesamtgesellschaftlichen Selbstverständnisses das Verhältnis von Mensch und Natur prägt.