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Essenspraktiken Jugendlicher in stationären Erziehungshilfen. Eine Mixed-Methods-Studie

Fachliche Zuordnung Erziehungswissenschaftliche Sozialisations- und Professionalitätsforschung
Förderung Förderung von 2017 bis 2023
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 390859187
 
Erstellungsjahr 2022

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Mit dem Projekt konnte das Wissen um die Essenspraktiken von Jugendlichen, die in stationären Erziehungshilfeeinrichtungen leben, wesentlich erweitert werden. Nicht nur die Essenspraktiken in den Einrichtungen und die Anforderungen der individuellen als auch der organisationalen Essensorganisation wurden untersucht. Durch den Fokus auf die Jugendlichen werden diese als Subjekte der Essenspraktiken und Akteur*innen an ganz verschiedenen gesellschaftlichen Orten (des Essens) erkennbar, was bisher nur in wenigen Untersuchungen zur stationären Erziehungshilfe überhaupt geleistet wurde. Die größte „Überraschung“ im Projektverlauf war das Eintreten der COVID-19-Pandemie, wodurch sich die Erhebung(smöglichkeit)en stark verändert haben und letztlich in allen Teilprojekten Reduktionen am Sample hingenommen werden mussten. Zugleich sind die methodischen Anpassungen in Richtung einer ‚kontaktlosen Ethnographie‘ als methodische und methodologische Weiterentwicklung, die auch die Möglichkeiten der Partizipation am Forschungsprozess für die Jugendlichen erhöht haben, zu werten. Die Daten zu den Essenspraktiken während der COVID-19-Pandemie zeigen auf der Ebene der Jugendlichen deren Verhäuslichung im Lebensraum der Wohngruppe und das damit einhergehende Gefühl der Eingeschränktheit. Auf der Ebene der Einrichtungen werden die Essenspraktiken aufgrund der notwendigen Veränderungen (etwa durch Homeschooling oder Quarantänen) flexibilisiert. In den quantitativen Analysen wurden zwei Typen identifiziert, die zentrale Essensroutinen bzgl. Häufigkeit, Essort und Gesellschaft beim Essen widerspiegeln (Typ 1: Unabhängige & Typ 2: die Eingebundenen (71 %). In der logistischen Regressionsanalyse zeigten sich im Gesamtmodell die Unterschiede zwischen den Esstypen nur noch hinsichtlich Alter, der Bedeutung und Wirkung des Essens, sowie des für das Essen zur Verfügung stehenden wöchentlichen Budgets. Geschlecht, Migrationshintergrund, Bildung, Länge des Aufenthaltes, Aufenthalt vor der Unterbringunng, Anzahl der Mitbewohner*innen und das Essen als Mittel gegen emotionale Belastung trugen im Gesamtmodell nicht zur Erklärung von Unterschieden hinsichtlich der Esstypen bei. Die Ergebnisse der Mehrebenenanalyse mit den kombinierten Daten der Einrichtungsleitungen, des pädagogischen Personals und der Jugendlichen zeigten, dass auf organisationaler Ebene und unabhängig von individuellen Merkmalen, die Gruppengröße und die Einrichtungsart bedeutsam sind. Konkret sind kleinere Gruppen und die Zugehörigkeit zu einer Verselbständigungsgruppe signifikant häufiger zu Typ 1, den Unabhängigen, zugehörig. Mit den qualitativen Ergebnissen wurde deutlich, dass die Essenspraktiken junger Menschen, welche in stationären Erziehungshilfen wohnen, nicht auf die Wohngruppe als zugleich privater und institutionell gerahmter Raum beschränkt sind. Mit Blick auf die jugendlichen Raumaneignungen über Essenspraktiken z.B. in öffentlichen Räumen können Jugendliche mit oder ohne Erziehungshilfehintergrund gleichermaßen betrachtet werden, ohne dass Unterschiede offensichtlich sind oder Zuschreibungen beobachtet werden können. Es stellt sich die Frage, inwieweit die jungen Menschen in Wohngruppen in besonderen organisierten Erziehungswelten leben, während sie im Alltag außerhalb der Einrichtungen ‚food as usual‘ für ihre jugendliche Raumaneignung nutzen. Wird dieses Ergebnis vor dem Hintergrund der oben skizzierten Corona-Regelungen reflektiert, dann wird deutlich, dass diese gerade für junge Menschen in Erziehungshilfen eine Verstärkung der De-Normalisierung bedeuteten. Weiterführend wären einerseits Untersuchungen zu Essenspraktiken von jungen Menschen, die in anderen stationären Organisationen (Internate oder Gefängnisse) leben. Andererseits unterlegt das Projekt Forschungsperspektiven, die Essen als Teil von Lebensführung und Gesellschaft sowie Identitätsbildung rahmen, die sich verkürzten Sichtweisen zu Gesundheit, Nachhaltigkeit oder Preisgestaltung in Organisationen entziehen.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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