Smart Cities: Die Standardisierung der Stadt?
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Das Forschungsvorhaben untersucht die vielschichtigen und widersprüchlichen Logiken der weltweiten Ausbreitung von Smart-City-Strategien und Projekten. Ausgangspunkt ist die Feststellung, dass sich sowohl die Bedingungen dieser Ausbreitung als auch die wissenschaftliche Perspektive auf sie gegenüber einer ersten Phase der Debatte um Smart Cities im Anschluss an die Finanzkrise von 2008 verschoben haben. Galt die Smart City zunächst in erster Linie als von global agierenden IT-Unternehmen getriebener und industriepolitisch unterfütterter Versuch, die globale Verstädterung als verheißungsvollen Zukunftsmarkt zu erschließen, ist in zunehmendem Maße deutlich geworden, dass die tatsächlichen Smart-City- Strategien in komplexeren Akteurskonstellationen umgesetzt werden. Die forschungsleitende Annahme des Projektes war, dass sich in diesen Konstellationen drei Spannungsfelder manifestieren: zwischen öffentlichen und privaten Interessen, zwischen globaler Verbreitung und lokaler Anpassung und zwischen Technologieentwicklung in Industrieländern und Pilotimplementierung in Schwellenländern. Die zentrale Frage, auf welche Weise und mit welchem Ergebnis die in diesen Spannungsfeldern liegenden Konflikte ausgetragen werden, wird anhand von Fallstudien des Smart Nation Programms von Singapur und der Initiative Amsterdam Smart City untersucht. Dabei stehen die mit den Smart-City- Aktivitäten verknüpften Akteursökologien in beiden untersuchten Städten im Zentrum der Analyse. Es geht dabei nicht um einen klassischen Vergleich, sondern um die unterschiedlichen Formen der Einbindung dieser Akteursstrukturen in lokale und überlokale Zusammenhänge der Entstehung und Verbreitung von Smart Cities. Das Projekt kommt zu folgenden Ergebnissen: Neben der bestätigten Annahme, dass Smart City-Strategien weniger als konfektionierte Pakete globaler Technologieunternehmen denn in lokalen Kooperationskonstellationen unterschiedlicher Akteurstypen entwickelt und umgesetzt werden, lassen sich spezifische Befunde in zwei Bereichen erkennen: (1) Bezogen auf die in vielen aktuellen Arbeiten betonte zunehmende Bedeutung von Bürgern und zivilgesellschaftlichen Organisationen als wichtige Elemente lokaler Akteurskonstellationen zeigt die Forschung ein ambivalentes Bild auf. Einerseits werden jene Arbeiten bestätigt, die eine Einbindung der Zivilgesellschaft allenfalls in der Rhetorik der Smart City finden. Andererseits werden darüber hinaus neuartige Verschränkungen zwischen klassisch bürgerschaftlich-politischem und auf Nutzung und Funktionalität ausgerichtetem Engagement deutlich, in denen emanzipatorische Potenziale schlummern. (2) Smart City Projekte weisen darüber hinaus ein Spezifikum bezogen auf den Prozess der Implementierung digitaler Technologien im Stadtraum auf. Anders als in der Literatur um living labs oder die experimentelle Stadt angenommen, geht es dabei in der Regel nicht um einen ko-kreativen Prozess der Entwicklung von neuen Lösungen für städtische Probleme, sondern eher um das Testen von auf Basis von Algorithmen autonom agierender Technologien unter den schwer kontrollierbaren Bedingungen des städtischen Raums und der städtischen Praxis. Smart Cities sind daher weniger lebende Labore als große Feldversuche – vergleichbar mit den Freilandversuchen bei der Saatentwicklung in der Landwirtschaft.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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(2020): Digitale Stadt. Stadtentwicklung vom Labor zum Feldversuch. Wüstenrot-Stiftung (Hrsg.) Bedingt planbar. Städtebau und Stadtentwicklung in Deutschland und Europa. Ludwigsburg: Wüstenrot-Stiftung, 236-243
Joachim Thiel
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(2021): Activity types, thematic domains, and stakeholder constellations: explaining civil society involvement in Amsterdam’s smart city. European Planning Studies
Filipe Mello Rose
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(2021): The unexpected persistence of non-corporate platforms: The role of local and network embeddedness. Digital Geography and Society, 2, 100020, 1–12
Filipe Mello Rose