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Erinnerungen an die atlantischen Sklaverei. Frankreich und Spanien, die französische und Kuba im Vergleich und im Kontext globaler Debatten um das Gedenken an Sklavenhandel und Sklaverei
Antragstellerin
Privatdozentin Dr. Ulrike Schmieder
Fachliche Zuordnung
Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung
Förderung von 2017 bis 2023
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 393718958
Im Kontext des globalen Cultural Heritage Booms, bei dem sich lokale, nationale und globale Geschichtspolitik und Identitätskonstruktionen mit Interessen am Kulturtourismus kreuzen, sind Erinnerungsorte an Kolonialismus und Sklaverei, die mit historischer Schuld und nachfolgender Verantwortung verbunden sind, ein Feld gesellschaftlicher Konflikte. Die Spannungen wurden im Krisenjahr 2020 in der globalen Bewegung Black Lives Matter sichtbar und fanden ihren Ausdruck im Sturz von Statuen von Sklavenhändlern und kolonialen Erobern. In der International Decade for People of African Descent (2015-2024) wird in Europa und den ehemaligen Kolonien in Afrika und Amerika debattiert, ob, wo und auf welche Weise an Sklaverei erinnert werden sollte; wer sich bei wem entschuldigen sollte und wer wen entschädigen sollte. Es wird diskutiert, wie mit Überresten der Sklaverei umgegangen werden soll, welche Denkmäler errichtet, welche abgerissen oder kommentiert, welche Museen etabliert oder umgestaltet werden sollen. Wenn die Aufarbeitung rezenter Diktaturen nicht die Erinnerung an die Kolonialzeit überlagert (Spanien, Portugal), spielen in europäischen Ländern mit längerer Kolonialgeschichte und vielen Einwander*innen aus ihren ehemaligen Kolonien (England, Frankreich, Niederlande), die Kontroversen um die koloniale Vergangenheit eine größere Rolle als in Deutschland. Hier konzentrierten sich die Auseinandersetzungen lange auf den Umgang mit der NS-Vergangenheit. In den letzten Jahren fanden das koloniale Erbe Deutschlands und die deutsche Beteiligung an der atlantischen Sklaverei mehr öffentliche Beachtung. Auf Grundlage der Wissens über Sklaverei und Postemanzipation, besonders zur französischen Karibikinsel Martinique und zum vormals spanischen Kuba, werden der Umgang mit historischen Überresten (Plantagen/ Herrenhäusern/ Behausungen der Versklavten) und die Einrichtung von Gedenkorten (Denkmälern und Museen) in Frankreich und Spanien, der französischen Karibik mit Fokus auf Martinique und Kuba untersucht. Die dominante Fokussierung der Historiographie auf den anglophonen Raum überwunden. Neben der Bestandsaufnahme und Analyse der Gedenkorte widmet sich das Projekt ihrem sozio-kulturellen Kontext. Die zentralen Fragestellungen sind, welche Akteur*innen die Errichtung von Gedenkorten vorangetrieben und welche sie behindert haben, wer diese Orte wie und zu welchem Zweck nutzt und warum. Dabei werden gegenwärtige Machtverhältnisse, (soziale und rassistische) Inklusionen und Exklusionen in der Gesellschaft, die erinnert oder verdrängt, sichtbar. An ausgewählten Orten in Martinique und Kuba werden die contre-memoires der Nachfahren der Versklavten und ihr Verhältnis zu den Erinnerungsorten durch Oral History Methoden erforscht. Interviews mit Expert*innen und Aktivist*innen in den Haupt- und Hafenstädten der ehemaligen Kolonialmächte Frankreich und Spanien und in der Karibik sowie Dokumente in lokalen Archiven und Bibliotheken sind weitere Quellen.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen