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Ursachen und Folgen der Wahrnehmung öffentlicher Meinung in Zeiten sozialer Medien

Fachliche Zuordnung Publizistik und Kommunikationswissenschaft
Förderung Förderung von 2017 bis 2022
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 396521619
 
Erstellungsjahr 2021

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Als soziale Wesen orientieren Menschen ihre Entscheidungen und ihr Verhalten unter anderem an den Meinungen anderer Menschen. In modernen Medienumgebungen erschließen sich ihnen diese Meinungen über ganz verschiedene Kontaktquellen, angefangen mit ihrem persönlichen Umfeld (z.B. Familie, Bekanntenkreis, auf der Arbeit oder in der Freizeit), im Internet (z.B. in den sozialen Medien oder Kommentarspalten) oder schließlich in den traditionellen Medien. Das Projekt „Ursachen und Folgen der Wahrnehmung öffentlicher Meinung in Zeiten sozialer Medien“ hat den Forschungsstand diesbezüglich in folgenden Punkten erweitert: • Erstmals erfolgte eine ganzheitliche Betrachtung der individuellen Meinungsumgebungen aus Sicht der Rezipienten, ihrer Zusammensetzung, den Faktoren, die sie prägen sowie ihrem Einfluss auf politische Vorstellungen und Verhalten. Frühere Untersuchungen haben sich meist nur auf eine Quelle (z.B. traditionelle Medien oder interpersonale Kommunikation) konzentriert und dabei außer Acht gelassen, dass Menschen auf verschiedenen Wegen mit politischen Meinungen in Kontakt kommen. Weiterhin kamen in der Vergangenheit, insbesondere bei der Erforschung des Kontakts mit gegenteiligen Meinungen, oft Querschnittdesigns zum Einsatz. Das aktuelle Projekt beruht hingegen auf einem Paneldesign auf dessen Basis belastbarere Aussagen über Zusammenhänge getroffen werden können. • Die gewonnenen Daten erlauben einen neuen Einblick in die relative und aggregierte Zusammensetzung der betrachteten Meinungsquellen. Dabei zeigt sich, dass Menschen nur in absoluten Ausnahmefällen in völlig homogenen Meinungsumgebungen leben; die überwältigende Mehrheit also regelmäßig Kontakt mit vielfältigen Meinungen hat. Gleichzeitig besteht allerdings durchaus individuelle Varianz, d.h. einige Bürger kommen mit mehr bzw. weniger Vielfalt in Kontakt als andere. • Auch im Hinblick auf den letztgenannten Punkt hat das Projekt neue Erkenntnisse zu Tage gefördert. Allen voran hat sich die Einstellungsextremität als hemmender Faktor individuell erlebter Meinungsvielfalt erwiesen. Extreme Gegner und Befürworter von Flüchtlingen kommen beide mit weniger Meinungsvielfalt in Kontakt als Menschen mit moderateren positiven oder negativen Einstellungen. Interessanterweise und so bislang noch nicht gezeigt, geht dieser Einfluss besonders von der affektiven Einstellungskomponente, also den Emotionen und Gefühlen der Befragten aus. • Gleichzeitig übt auch die Häufigkeit der Nutzung bestimmter Informationsquellen einen Einfluss aus: Während die Nutzung von öffentlich-rechtlichen Angeboten, Qualitätszeitungen und Podcasts die erlebte Meinungsvielfalt erhöht, geht von einer ausgeprägten Nutzung sozialer Medien und Boulevardmedien eher ein hemmender Effekt aus. Das unterstreicht die Bedeutung qualitativ hochwertiger journalistischer Angebote für die demokratische Meinungsbildung. • Der erwartete Einfluss einer Konfrontation mit gegenteiligen Meinungen auf die politische Partizipation zeigte sich hingegen nicht. Vielmehr erwies sich hier die bloße Kontakthäufigkeit mit Meinungen (unabhängig von ihrer Valenz) als Treiber. • Aus methodischer Sicht hat das Projekt gezeigt, dass sogenannte „name generators“ – eine bereits in den 60er Jahren entwickelte Methode zur Beschreibung von Ego-Netzwerken – auch in modernen Medienumgebungen grundsätzlich geeignet sind, um mediale und interpersonale Meinungskontakte zu erfassen. Das ist auch deshalb wichtig, weil eine umfangreiche Analyse der verschiedenen Kontaktquellen derzeit noch nicht automatisiert erfolgen kann. Das Projekt bot dennoch auch Anstoß, alternative Wege der Kontaktmessung zu entwickeln, beispielsweise im Rahmen einer Befragungsstudie zum Thema Covid-19, in der nach spezifischen themenbezogenen Argumenten gefragt wurde. Interessanterweise korreliert der auf Argumentbasis berechnete Vielfaltsindex und der auf der Meinungsvalenz basierte in gleicher Weise mit verschiedenen Prädiktoren (z.B. der Einstellungsextremität), was die Validität der Messung im vorliegenden Projekt stützt.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2020, Februar). In der Echokammer? Politische Einstellungen, interpersonale Kommunikation und Mediennutzung als Prädiktoren erlebter Meinungsvielfalt. Gemeinsame Jahrestagung 2020 der Deutschen Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft (DGPuK), der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft (DVPW) und der Schweizerischen Gesellschaft für Kommunikations- und Medienwissenschaft (SGKM), Mainz, Deutschland
    Kobilke, L. & Zerback, T.
  • (2020, März). Populist Participation? A Closer Look at the Relationship Between Populist Attitudes and Political Participation in Germany. 65. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft (DGPuK), München, Deutschland
    Kobilke, L. & Zerback, T.
  • (2020, November). Acting Upon Disagreement? The Effects of Cross-Cutting Exposure on Political Participation in Offline, Online, and Traditional Media Communication Environments. Digital Society Initiative. Digital Democracy Workshop, Zürich, Schweiz
    Kobilke, L.
  • (2021, September). Extreme attitudes towards wearing masks as inhibitors of argument diversity exposure during the COVID-19 debate. APSA Preconference on Political Communication, Seattle, USA
    Zerback, T.
 
 

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