Einsatz von Methoden der Nichtlinearen Dynamik zur Strukturierung und Dimensionierung des Logistiksystems in Werkstattfertigungen
Zusammenfassung der Projektergebnisse
In Fertigungssystemen mit stark verzweigten Materialflüssen und einer hohen Abhängigkeit zwischen zahlreichen Bearbeitungs-, Handhabungs- und Transportvorgängen liegt oftmals ein komplexes dynamisches Verhalten vor. Dieses kann sich negativ auf die Leistungsfähigkeit auswirken. In dem vorliegenden Projekt wurde der Einfluss der Systemstrukturierung und -dimensionierung auf das dynamische Verhalten und die logistische Leistungsfähigkeit von Werkstattfertigungen unter Nutzung von Methoden der Nichtlinearen Dynamik untersucht. Zunächst konnte auf Basis per Fragebogen erhobener statischer und vorliegender dynamischer Praxisdaten ein ereignisdiskretes Simulationsmodell einer Werkstattfertigung erstellt und validiert werden. Für dieses Modell wurde bei wiederkehrenden Auftragseinlastungen sowie deterministischen Bearbeitungs- und Transportvorgängen periodisches Verhalten beobachtet. Die Periodizitäten lassen sich insbesondere für einfache Systeme und übersichtliche Materialflussstrukturen eindeutig identifizieren. Für komplexere Systeme und Auftragsstrukturen verhält sich die Dynamik dagegen aufgrund sehr langer Zyklen vermeintlich regellos. Für detailliertere Analysen der Systemdynamik wurden verschiedene statistische sowie mehrere Methoden der Nichtlinearen Dynamik herangezogen. Hierbei erwiesen sich Fourier-Analysen, Auto- und Kreuzkorrelationen sowie eine auf einer Singulären Systemanalyse (SSA) basierten Berechnung der LVD-Dimensionsdichte, verschiedene Entropien und ausgewählte Methoden der Quantitativen Rekurrenzanalyse (RQA) als geeignet. Einige der angewendeten Methoden erfordern äquidistante Werte bezüglich der während der Simulation beobachteten Systemvariablen. Daher wurde zusätzlich zum ursprünglichen Arbeitsprogramm die Festlegung einer geeigneten Abtastfrequenz in ereignisdiskreten Simulationen untersucht. Hieraus konnte eine Definition von Grenz-, Über- und Unterabtastung abgeleitet werden. Bei Anwendung der Grenzabtastung lassen sich die aufgenommenen Systemvariablen, insbesondere die Bestandsverläufe, ohne Fehler rekonstruieren. Die Rekonstruktion aus mit Über- und Unterabtastung aufgenommenen Werten bedingt dagegen aufgrund des zeitlichen Versatzes zwischen einem Ereignis und dessen Erfassung Fehler in den rekonstruierten Verläufen. Die Entwicklung dieses Fehlers bei verschiedenen Frequenzen wurde ebenfalls untersucht. In Ergänzung zum ereignisdiskreten Ansatz wurde ein kontinuierliches Simulationsmodell erstellt, um das übergeordnete Systemverhalten zu analysieren. Hierbei wurde insbesondere festgestellt, dass, unter Annahme kontinuierlicher Flüsse innerhalb des Fertigungssystems, die Kapazitätsauslegung der Werkstätten belastungsorientiert erfolgen kann. Darüber hinaus konnte beobachtet werden, dass sich externe Marktdynamiken an den Schnittstellen von Fertigung und Markt direkt auswirken, die Ausbreitung der Marktschwankungen innerhalb des Systems jedoch durch die begrenzten Kapazitäten unterbunden wird. Hierbei wurde auch der Einfluss variierter Amplituden und Frequenzen verschiedener, funktionsbezogener Dynamiken analysiert. Der Einfluss der Systemdimensionierung auf die interne Dynamik lässt sich sowohl an den Transportmittel- als auch an den Betriebsmittelkapazitäten festmachen. Die Art und Menge der eingesetzten Transportmittel beeinflusst unmittelbar die mittleren Auftragsdurchlaufzeiten sowie Auslastungen des Produktions- und Logistiksystems. Hierbei konnte festgestellt werden, dass bereits der geringe Mehreinsatz von Transportmitteln die Verspätung von Aufträgen stark reduzieren kann. Darüber hinaus wurde bestätigt, dass durch den Einsatz unterschiedlicher Transportmittel gezielt deren Vor- und Nachteile genutzt werden können und dadurch sowohl die Leistungsfähigkeit des Fertigungssystems als auch die transportbedingte Kostenentstehung positiv beeinflusst werden kann. Im Rahmen der Betriebsmitteldimensionierung ist bekannt, dass durch gesteigerte Kapazitäten Bestände sowie Warte- und Durchlaufzeiten reduziert werden können, während sich die Auslastung tendenziell verschlechtert. Darüber hinaus wurde im Rahmen der durchgeführten Arbeiten untersucht, wie sich unterschiedliche Verteilungen einer zur Verfügung stehenden Gesamtkapazität auf einzelne Maschinen auswirken. In diesem Rahmen konnte beobachtet werden, dass sich eine homogene Aufteilung der resultierenden Teilkapazitäten in den Werkstätten positiv auf die Bestandsentwicklung und auf das Verhältnis von Bearbeitungs- zu Durchlaufzeiten sowie auf die Termintreue auswirkt. Darauf aufbauend konnte durch den Einsatz von Methoden der Nichtlinearen Dynamik nachgewiesen werden, dass eine homogene Verteilung der verfügbaren Gesamtkapazität die Dimensionalität und damit die dynamische Komplexität des Systems senkt. Aufgrund der kleineren Teilkapazitäten in den heterogenen Verteilungen konnten hingegen geringere Entropien und damit bessere Vorhersagbarkeiten des dynamischen Verhaltens festgestellt werden. Da die bessere Prognostizierbarkeit jedoch aus den höheren Beständen und damit einer verschlechterten logistischen Leistungsfähigkeit resultiert, sollte die im Rahmen der Fabrikplanung ausgeführte Systemdimensionierung aus logistischer Sicht generell eine möglichst homogene Verteilung der Teilkapazitäten anstreben . Die generierten Projektergebnisse unterstützen generell die Auslegung und die simulative Untersuchung des Produktions- und Logistiksystems von Werkstattfertigungen. Insbesondere die abgeleitete Grenzfrequenz für die regelmäßige Aufnahme von zeitlich veränderlichen Systemvariablen während der Simulation lässt sich unmittelbar adaptieren, um aus ereignisdiskreten Simulationen fehlerfreie Zeitreihen für weitere Analysen zu gewinnen. Ebenso lassen sich die identifizierten Methoden der Nichtlinearen Dynamik für weitergehende Aufgabenstellungen in Zusammenhang mit der Untersuchung von Fertigungssystemen heranziehen. Die erzeugten Erkenntnisse hinsichtlich der Betriebsmittel- und der Transportmitteldimensionierung können unmittelbar in der Auslegung entsprechender Teilsysteme umgesetzt werden. Hierbei ist eine Anwendung innerhalb von Neu- ebenso wie für Umplanungen bestehender Fertigungssysteme sinnvoll. Gerade die Umgestaltung vorliegender Produktions- und Logistiksysteme bietet vor diesem Hintergrund und einem ständigen, marktseitigen Wandel in Richtung zunehmender Komplexität und Dynamik besonders große Potentiale. In diesem Zusammenhang bieten sich weitere Untersuchungen an, die sich von einer Betrachtung statischer Systeme lösen und die Analyse dynamisch anpassbarer Kapazitäten und Strukturen bei unterschiedlichen Marktdynamiken fokussieren. Die verstärkte technische Fähigkeit zur Umgestaltung von Fertigungssystemen bietet hierbei großes Potential, flexibel auf zunehmend volatile Kundenbedarfe und unvorhersehbare Ereignisse und Marktschwankungen zu reagieren. Als Fernziel ist hierbei ein ideales Produktionssystem anzustreben, dass jederzeit höchstflexibel entsprechend der marktseitigen Schwankungen angepasst werden kann. Die dafür erforderlichen Methoden sind jedoch trotz der erweiterten, technischen Möglichkeiten gegenwärtig nicht hinreichend entwickelt. Der Antragssteller beabsichtigt daher auf den vorliegenden Forschungsergebnissen aufzubauen und in diesem Bereich weitere Arbeit zu leisten.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Frühzeitige Beeinflussung des dynamischen Verhaltens von Werkstattfertigungen. In: Industrie Management, 25 (2009) 3, S. 41-44
Scholz-Reiter, B.; Toonen, C.; Tervo, J.T.
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Einfluss der Abtastrate auf die Fehlerentstehung in der Auswertung ereignisdiskret simulierter Werkstattfertigungen. In: Industrie Management, 26 (2010) 6, S. 44-48
Scholz-Reiter, B.; Toonen, C.; Tervo, J.T.; Lappe, D.
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Einfluss der Abtastrate auf Ergebnisse der ereignisdiskreten Simulation. In: ZWF - Zeitschrift für wirtschaftlichen Fabrikbetrieb, 105 (2010) 3, S. 211-215
Scholz-Reiter, B.; Toonen, C.; Tervo, J.T.; Lappe, D.
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Impact of Market Dynamics on Performance and Internal Dynamics of Job-Shop Systems. In: International Journal of Systems Applications, Engineering and Development, 4 (2011) 5, pp. 537-544
Scholz-Reiter, B.; Toonen, C.; Lappe, D.
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Investigation of the Influence of Capacities and Layout on a Job-Shop-System’s Dynamics. In: Kreowski, H.-J.; Scholz-Reiter, B.; Thoben, K.-D. (eds.): Dynamics in Logistics. Second International Conference (LDIC 2009), Bremen, 18.-20. August 2011, Springer, pp. 389- 398
Scholz-Reiter, B.; Toonen, C.; Tervo, J.T.
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Job-Shop-Systems – Continuous Modeling and Impact of External Dynamics. In: Chen, S.; Mastorakis, N.; Rivas-Echeverria, F.; Mladenov, V. (eds.): Recent Researches in Multimedia Systems, Signal Processing, Robotics, Control and Manufacturing Technology. Proceedings of the 11th WSEAS International Conference on Robotics, Control and Manufacturing Technology (ROCOM 2011), Venice, 08.-10. März 2011, WSEAS Press, pp. 87-92
Scholz-Reiter, B.; Toonen, C.; Lappe, D.
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Logistische Zielerreichung in Werkstattfertigungen - Untersuchung des Einflusses von Zusammensetzung und Dimensionierung des Logistiksystems. In: wt Werkstattstechnik online, 101 (2011) 4, S. 261-266
Scholz-Reiter, B.; Toonen, C.; Lappe, D.
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Sampling of Variables in Discrete-Event Simulation Using the Example of Inventory Evolutions in Job-Shop-Systems Based on Deterministic and Non-Deterministic Data. In: World Academy of Science, Engineering and Technology, Special Journal Issue 73 (2011), pp. 1053-1058
Scholz-Reiter, B.; Toonen, C.; Tervo, J.T.; Lappe, D.