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The Birth of Modern Theatre in Early Modern France (1630-1730)

Subject Area European and American Literary and Cultural Studies
General and Comparative Literature and Cultural Studies
Term from 2018 to 2022
Project identifier Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Project number 397779942
 
Final Report Year 2023

Final Report Abstract

Im Zentrum des Projekts stand das Bestreben, das französische Theater des ganzen 17. Jahrhunderts zu rekonstruieren und dabei dessen Rolle als Initiator des europäischen Theaters der Frühmoderne herauszuarbeiten. Dafür wurden sowohl die beiden Hauptgattungen, die Tragödie und die Komödie, sowie weitere Genres wie das Nachspiel in den Blick genommen, um der historischen Aufführungspraxis genauso Rechnung zu tragen wie den historischen Veränderungen, die nicht zuletzt über die zahlreichen Querelles sichtbar werden. Fokussiert wurden hierfür die Herausentwicklung der Tragödie ab den 1630er Jahren, die als dezidiert französische Liebestragödie konzipiert wurde, sowie diejenige der Hauskomödie, die ab den 1660er Jahren dominant von Molière in Szene gesetzt wird, bevor sie dann ab den 1680er Jahren in den Maison de Molière, der neu gegründeten Comédie- Française, unter veränderten kulturpolitischen Rahmenbedingungen ihre institutionelle Prägung erhielt. Herausgearbeitet wurde in diesem Zusammenhang zum einen die Bedeutung des Zusammenspiels von Gattung und Geschlecht, die seit den Poetiken des Aristoteles‘ und des Horaz‘ das Verständnis der Dichtungen formte. Denn gemäß der ‚Geschlechterpoetik‘ der antiken Dichtungstheorien entscheiden der Stand, das Geschlecht und das Alter über die Angemessenheit der Handlungen einer Figur, die indes je nach Gattung grundlegend differiert, insofern etwa allein die Tragödie der Ort männlicher Tüchtigkeit war. Dementsprechend bewirkt etwa die Einführung der Liebe als handlungstreibendes Movens in die Tragödie ab 1630 nicht nur auf der Ebene der Handlung eine grundlegende Veränderung der Gattung, sie befördert auch eine Neuorganisation des Figurenpersonals sowie deren Näheverhältnisse, die allererst die Basis bilden für das tragische Ereignis der Tragödie. Umgekehrt wird eine Nobilitierung der Komödie dadurch geleistet, dass diese in einem ständischen Raum verortet wird, der aus dem Zusammenspiel von la cour et la ville entsteht, wie sich auch die Handlungen der Protagonist*innen verändern, insofern sie im Idealfall als aktive Träger*innen der France galante gestaltet werden. Besonders bemerkenswert sind in diesem Kontext bislang meist hintangestellte Subgenres wie die höfische Familientragödie, die nicht nur deswegen von Interesse sind, weil sie ein hohes Personal auf die Bühne bringen, das vorbildlich agiert, sondern auch deswegen, weil sie konzeptionell zur Fabrikation der höfischen Galanterie beitragen, indem sie ein Drei-Körper-Modell des Königs in Szene setzen. Nach1680 werden dann sowohl die Rahmenbedingungen gänzlich geändert, indem das Schauspiel den Hof weitgehend verlässt und vorzugsweise in der Comédie-Française verortet wird, wie auch neue Aufführungspraktiken entstehen, die etwa Tragödie und komisches Nachspiel in einer Aufführung verbinden, so dass neue Modellierungen des Theaters möglich, wenn nicht nötig werden. Des Weiteren wurden zwei Konstituenten des französischen Theaters zwischen 1630 und 1730 herausgearbeitet: Zum einen baut die Liebestragödie dominant darauf auf, dass sie wahlweise unterschiedliche Genres regelrecht übereinanderlegt, wie die epistulare Tradition der Heroides und die Tragödie, oder aber verschiedenen Handlungstraditionen bewusst so überlagern, dass sie erkennbar bleiben, jedoch in einer neuen Handlung aufgehen. Die bekannteste Ausprägung einer solchen ‚superpositio‘ stellt die Figur der Cléôpatre in Corneilles Rodogune dar, die mehrere Traditionen in sich amalgamiert, um die Handlung voranzutreiben. Zum anderen führt die Konzeption der Liebestragödie als dezidiert französischer Tragödienform, wie auch der Hauskomödie Molière’scher Prägung dazu, dass sich um 1700 ein ‚Theatertransfer‘ ausprägt, innerhalb dessen spezifische Schauplätze – Paris, Venedig, London, Hamburg etc. – je eigene Modellierungen von Tragödien oder Komödien ausprägen, die als kulturell je spezifisch gedacht und auf den internationalen Vergleich hin ausgerichtet sind.

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