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Architektur- und Planungskollektive der DDR – Institutionelle Strukturen und kreative Prozesse in der sozialistischen Architekturproduktion

Antragstellerinnen / Antragsteller Dr. Harald Engler; Professorin Dr. Stephanie Herold
Fachliche Zuordnung Kunstgeschichte
Förderung Förderung von 2018 bis 2023
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 397822116
 
Erstellungsjahr 2023

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Zu den wichtigsten wissenschaftlichen Fortschritten und neuen Forschungsergebnissen des Projekts gehörte die grundlegende Erkenntnis, dass Kollektive in der DDR, anders als bisher weitgehend in der Forschung dargestellt, primär nicht von oben staatlich gleichförmig festgelegt und ausgestaltet, sondern vielmehr durch eine große Vielfalt und Diversität der Akteurs- und Personenkonstellationen gekennzeichnet waren. Architekturkollektive der DDR wurden keineswegs gleichförmig nach denselben staatlichen Prinzipien fixiert, sondern unterschieden sich vielmehr in Bezug auf ihre Genese und Größe, der Arbeitsweisen, Handlungsspielräume und interpersonalen Arbeitsbeziehungen und waren insofern durch eine spezifische Form des Eigensinns geprägt. Im Projekt wurden Architekt*innen in Kollektiven jenseits der aus der bisherigen Literatur gekannten Großplaner in ihrer Vielfalt der agierenden Planer*innen vorgestellt und analysiert und auch ihre Beziehungsgeflechte durch Netzwerkanalysen beleuchtet, die für die Genese und das Zustandekommen von Kollektiven von entscheidender Bedeutung waren. Architektur-Kollektive der DDR waren außerdem durch eine spezifische Konzeption von Kreativität gekennzeichnet, das für das Verständnis der Architektur der DDR von grundlegender Bedeutung ist und in dieser Form und Tiefe so bisher nicht analysiert wurde. Die Herleitung eines neuen architekturtheoretischen Verständnisses von kollektiver Kreativität im Kontext der architekturproduzierenden Arbeitsorganisation des DDR-Sozialismus gehört deshalb zu den weiteren wichtigen Ergebnissen dieses Projekts. Daraus folgt, dass die Architekturgeschichte der DDR aus einer grundsätzlichen anderen, nämlich stärker kollektiv akzentuierten Perspektive analysiert werden sollte, zu der auch ein spezifischeres Kreativitätskonzept gehört, als dies bisher in der Forschung praktiziert wurde. Architektonische und planerische Kreativität kann somit auch als eine kollektive Erfahrung beschrieben werden. Schließlich wurden die Kollektive in der DDR nicht nur einer Binnenanalyse unterzogen, sondern zusätzlich die internationalen (West und Ost) sowie die aktuelle Dimension der Bedeutung kollektiven und kollaborativen Arbeitens für das gesamte 20. Jahrhundert bis zur Gegenwart mit einbezogen. Zu den Überraschungen des Projektes gehört in erster Linie die Erkenntnis, dass in der zweifellos eher zentralistisch-hierarchisch organisierten Arbeitswelt der DDR eine allumfassend gültige Definition und Typologisierung von Architekturkollektiven aufgrund der Vielfalt ihrer Erscheinungsformen nicht möglich und sinnvoll ist. Das Projekt liefert aber systematisierte und anhand der Empirie überprüfbare typische Charakteristika, die für viele Kollektive zutrafen. Dabei gehörte zu den ebenfalls überraschenden Ergebnissen, dass diese Kollektive noch stärker männerdominiert waren, als es das Bauwesen in der DDR ohnehin war. Auch der Wunsch, die architektonisch-planerische Handschrift von Kollektiven oder einzelner ihrer Mitglieder systematisch zu verfolgen und herauszuarbeiten, war aufgrund der disparaten Quellenlage nicht realisierbar. Dafür gelang es dem Projekt zum ersten Mal für die Forschung aber, Ansätze für eine historische Phasenbildung der Kollektiventwicklung für die DDR zu identifizieren und zu beschreiben. Und schließlich überrascht auch, dass die gesellschaftliche Relevanz des Themas „Kollektiv" oder kollaboratives Arbeiten und Wirtschaften aktuell sowohl in der Wissenschaft als auch in der Gesellschaft überhaupt weiter zunimmt. Das Projekt setzte dafür – jenseits einer engeren Fixierung auf die DDR- Forschung – wichtige Impulse für eine aktuelle Anwendung der Erkenntnisse aus historischer Perspektive für die Gegenwart.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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