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Präferenzkonsistenter Informationsaustausch in Gruppen

Fachliche Zuordnung Sozialpsychologie und Arbeits- und Organisationspsychologie
Förderung Förderung von 2007 bis 2010
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 39870604
 
Erstellungsjahr 2015

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Die sozialpsychologische Forschung zum Informationsaustausch in Gruppen widmete sich in den letzten 30 Jahren weit überwiegend der Untersuchung des Diskussionsvorteils geteilter Informationen. Mit den im Rahmen des Kooperationsprojekts gewonnenen Erkenntnissen am Projektstandort München konnten aus unserer Sicht, ebenso wie am Projektstandort Göttingen, wichtige Beiträge zur Etablierung und zum besseren Verständnis einer zweiten fundamentalen Diskussionsasymmetrie geleistet werden, dem Diskussionsvorteil präferenzkonsistenter Informationen. Ein erster Beitrag der am Projektstandort München durchgeführten Experimente besteht darin, den ersten zweifelsfreien Nachweis zu erbringen, dass Gruppenmitglieder mehr präferenzkonsistente Informationen in Gruppendiskussionen einbringen und diese auch häufiger wiederholen als präferenzinkonsistente Informationen und zwar unabhängig davon, ob ihre eigene Entscheidungspräferenz zuvor abgefragt wurde oder nicht. Neben dieser eindeutigen Etablierung des Effekts konnte dessen Auftreten noch für zwei weitere Analyseebenen gezeigt werden, nämlich für die Nachfrage nach Informationen und für die präferenzkonsistente Konnotation genannter Information. Zusätzlich konnten wir einen entsprechenden Erinnerungsbias im Anschluss an die Diskussion nachweisen. Ein zweiter Beitrag unseres Projekts liegt in der Aufklärung des Einflusses von Moderatoren, die direkt aus der Interaktionssituation resultieren, in der das Phänomen auftritt: die Bevorzugung präferenzkonsistenter Informationen beim Einbringen wird sowohl durch abweichende Präferenzen von Diskussionspartnern, als auch durch einen zur eigenen Präferenz inkonsistenten Diskussionsstil eines Diskussionspartners verstärkt und ist damit untrennbar mit zentralen Variablen der Situation verknüpft, in der sie auftritt. Ein dritter Beitrag unseres Projekts liegt in der Aufklärung von personalen Moderatoren des präferenzkonsistenten Diskussionsstils: Dabei zeigte sich, dass insbesondere Gruppenführer weniger zu präferenzkonsistenter Diskussion neigen als andere Gruppenmitglieder. Besonders interessant ist hierbei das Verhalten von Gruppenführern in der Minoritätsposition, weil deren Eintreten als Proponent für die eigene Präferenz auf der Ebene der Gesamtgruppe zu einer ausgewogeneren Diskussion beiträgt. Insgesamt belegen die Ergebnisse eindrücklich, dass die Bevorzugung präferenzkonsistenter Informationen in Diskussionen ein sehr grundsätzliches Phänomen darstellt und dadurch die Meinungsbildung in Gruppen unmittelbar beeinflusst. Dies verdeutlicht die Bedeutung der zusätzlichen Erkenntnisse zu moderierenden Faktoren und vermittelnden Prozessen, weil diese als Grundlage für die Entwicklung von Interventionen dienen können. Mit den im Rahmen des Kooperationsprojekts am Projektstandort Göttingen gewonnenen Erkenntnissen konnten aus unserer Sicht wichtige Beiträge zur Etablierung und Aufklärung einer fundamentalen Diskussionsasymmetrie geleistet werden: Während sich die sozialpsychologische Forschung zum Informationsaustausch in Gruppen seit fast 30 Jahren vor allem auf die Untersuchung des Diskussionsvorteils geteilter Informationen konzentriert, konnten wir, ebenso wie das Projekt am Standort München, zeigen, dass der Diskussionsvorteil präferenzkonsistenter Informationen eine zweite und nicht minder wichtige Asymmetrie im Informationsaustausch von Gruppen darstellt. In Übereinstimmung mit den Befunden, die für das Münchner Projekt berichtet wurden, konnten auch die in Göttingen durchgeführten Experimente zunächst einmal ganz grundsätzlich belegen, dass Gruppenmitglieder mehr präferenzkonsistente Informationen in Gruppendiskussionen einbringen und diese auch häufiger wiederholen als präferenzinkonsistente Informationen. Der Beitrag von Faulmüller et al. (2012) stellt im Übrigen den ersten publizierten, methodisch einwandfreien Nachweis dieses grundsätzlichen Diskussionsvorteils präferenzkonsistenter Informationen dar. Ein weiterer ganz wesentlicher Beitrag unseres Projekts liegt in der Erklärung dieses Phänomens: Wie wir zeigen konnten, hat der Diskussionsvorteil präferenzkonsistenter Informationen sowohl eine intentionale als auch eine nicht-intentionale Komponente. Personen bringen zum einen gezielt vorrangig präferenzkonsistente Informationen ein, um ihre Meinung (d.h. ihre Entscheidungspräferenz) ihren Diskussionspartnern verständlich zu machen. Zum anderen ergibt sich dieser Diskussionsbias aber auch als Nebenprodukt eines Bestrebens, den Diskussionspartnern vor allem qualitativ hochwertige Informationen zugänglich zu machen – und da man die Qualität präferenzkonsistenter Informationen systematisch höher einschätzt als die Qualität präferenzinkonsistenter Informationen, resultiert hieraus ein (ungewollter) Diskussionsbias zugunsten der präferenzkonsistenten Informationen. Darüber hinaus konnten wir auch die Auswirkungen eines solchen Diskussionsbias auf nachfolgende Entscheidungen empirisch nachweisen: Sowohl das bevorzugte Einbringen als auch das bevorzugte Wiederholen präferenzkonsistenter Informationen führen beim Empfänger zu einer Beeinflussung in Richtung dieser Präferenz und zu einer geringeren Wahrscheinlichkeit, diese Präferenz im Lichte neuer Informationen, die eine bessere Entscheidungsalternative nahelegen, zu korrigieren. Dies ist insbesondere für den Wiederholungsbias ein nicht selbstverständlicher Befund, denn durch das Wiederholen von Informationen wird lediglich Redundanz erzeugt und die informationale Grundlage für den Rezipienten zumindest objektiv nicht verändert. Auch wenn die Testung von Moderatorvariablen nicht im Fokus des Göttinger Projekts stand – diese Zielsetzung des ursprünglichen Arbeitsprogramms wurde zum Teil wegen der umfangreicheren Untersuchung vermittelnder Mechanismen zurückgenommen und zum Teil am Projektstandort München verfolgt –, so liefern unsere Ergebnisse auch Hinweise auf solche moderierenden Einflüsse. In erster Linie sind hier unsere Befunde zur Wirkung kognitiver Belastung zu nennen. Ein laienpsychologischer Vorschlag zur Verbesserung des Diskussionsverhaltens könnte beispielsweise lauten, die Gruppenmitglieder sollten sich voll auf den Informationsaustausch konzentrieren können. Unsere Ergebnisse zeigen jedoch, dass unter genau diesen Bedingungen der Präferenzkonsistenzbias besonders stark ist, während er unter kognitiver Belastung abnimmt. Damit wollen wir nicht einem höchstwahrscheinlich ineffizienten Multitasking das Wort reden, aber die Ergebnisse zeigen, dass zur Optimierung des Diskussionsverhaltens eben fundierte Interventionen erforderlich sein werden. Dies gibt zugleich einen Ausblick auf zukünftig geplante Forschung zu dieser Thematik: Neben einer Klärung derjenigen Mechanismen, die die Wirkung des präferenzkonsistenten Wiederholungsbias auf nachfolgende Entscheidungen vermitteln, wollen wir zukünftig verstärkt untersuchen, wie sich die mittlerweile sehr vielfältigen und umfangreichen Erkenntnisse zu suboptimalem Informationsaustausch und mangelnder Synergie bei Gruppenentscheidungen für die Entwicklung von Techniken nutzen lassen, die diesen Informationsaustausch verbessern und Synergie bei Gruppenentscheidungen anregen.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2012). Do you want to convince me or to be understood? Preference-consistent information sharing and its motivational determinants. Personality and Social Psychology Bulletin, 38, 1685- 1697
    Faulmüller, N., Mojzisch, A., Kerschreiter, K. & Schulz-Hardt, S.
  • (2012). How to achieve synergy in group decision making: Lessons to be learned from the hidden profile paradigm. European Review of Social Psychology, 23, 305-343
    Schulz-Hardt, S. & Mojzisch, A.
 
 

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