Detailseite
Projekt Druckansicht

Ökonomie und Epistemologie von Tratsch in US-amerikanischer Literatur und Kultur des 19. und frühen 20. Jahrhunderts

Antragstellerin Professorin Dr. Katrin Horn
Fachliche Zuordnung Europäische und Amerikanische Literatur- und Kulturwissenschaften
Förderung Förderung von 2018 bis 2022
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 401052633
 
Erstellungsjahr 2023

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Durch die Analyse von realistischer Literatur, Egodokumenten und Zeitschriften wollte das vorliegende Projekt die Fragen beantworten, was und wie Tratsch weiß und was dieses Wissen wert ist. Dazu wurde der öffentliche und private Gebrauch von Tratsch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts analysiert, als die USA den Aufstieg des städtischen Lebens, der Massenmedien und der celebrity culture sowie die zunehmende Beteiligung von Frauen im öffentlichen Raum erlebten. All diese Veränderungen prägten auf unterschiedliche Weise die bis dahin gültigen Vorstellungen von Privatsphäre, Öffentlichkeit, Geschlechteridealen und sozialem Kapital. Als ein “discourse that negates and conflates the dialectics of inside and outside in its movement between the private and the public realms“, befördert Tratsch die gegenseitige Konstitution von Massenmedien und intimen Quellen. Als Diskurs der Grenzen und Ausgegrenzten eignet er sich in besonderer Weise für die Gewinnung verbotener Informationen. Als informationeller Schwarzmarkt unterstreicht Tratsch die ökonomische Relevanz epistemologischer Anliegen. Tratsch ist immer persönlich, ein intimes, meist kollektives Narrativ, das sich auf enge persönliche Beziehungen zwischen den Beteiligten stützt und daher wichtige Einblicke in die Beschaffenheit verschiedener Interaktionsnetzwerke bietet. Tratsch wurde daher in diesem Projekt als wichtige Quelle für privates, implizites oder anderweitig „inoffizielles“ Wissen und als einflussreiche Struktur für die Wissensverbreitung analysiert. Zu den wichtigsten Ergebnissen dieses Forschungsprojekts gehören ein differenziertes Verständnis der Rolle von Tratsch im Reputationsmanagement einer der ersten internationalen Berühmtheiten der USA, der queeren Schauspielerin Charlotte Cushman (1816-1876), und die Etablierung von Tratsch als zentraler Aspekt der Diversifizierung von Zeitschriften zwischen 1860 und 1890 durch die Erzeugung öffentlicher Intimität im Austausch zwischen Autor_innen/Redakteur_innen und Leser_innen. Diese Einsichten wurden regelmäßig in Vorträgen vorgestellt und sind zentral für die Projektpublikationen. Ein weiteres Ergebnis ist die Gestaltung einer digitalen Sammlung von kommentiertem und transkribiertem Primärmaterial über ArchivalGossip.com. Das Projekt insgesamt veranschaulicht, wie wichtig Tratsch für die Wissens- und Sexualitätsgeschichte ist, zeigt, dass die zentralen Grundzüge der modernen celebrity culture bis mindestens 1850 zurückreichen, unterstreicht die Bedeutung der Konzeptualisierung von Tratsch als intime Wissensform (in fiktionaler Literatur, Auto/Biographien und anderen Textformen) und bietet eine Fallstudie für die Anwendung von DH-Werkzeugen und -Methoden in den Kultur- und Geschlechterstudien.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

Zusatzinformationen

Textvergrößerung und Kontrastanpassung