Stellung und Beitrag des Maultiers zur römischen Equidenpopulation Österreichs und Deutschlands basierend auf morphologischen und paläogenetischen Untersuchungen.
Tiermedizin
Ur- und Frühgeschichte (weltweit)
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Ziel dieser Studie war es, die Kulturgeschichte des Maultieres in den Provinzen Raetia Noricum und Pannonia Superior zu beleuchten. Während bei anderen Nutztieren eine Kontinuität in der Zucht von der Eisenzeit bis in die Römerzeit vorliegt, blieb für Pferd und Maultier (= Eselhengst x Pferdestute) offen, wie sich der mediterrane Einfluss bzw. die römische Präsenz auf die Equidenpopulation ausgewirkt haben. In dieser Studie sollten daher drei Hypothesen überprüft werden, nämlich, dass (1) das Maultier als kultureller Marker für die römische Einflussnahme in den o.g. Provinzen gilt, (2) nördlich der Alpen keine Maultierzucht etabliert wurde, d.h. die Versorgung des Militärs durch Tierimporte gesichert werden musste, und (3) der große Bedarf an Pferden für die Grenztruppen nur durch eine Zucht importierter Tiere mit lokalen Beständen vor Ort gewährleistet werden konnte. Um diese Hypothesen zu verifizieren, wurden neben der „traditionellen“ vergleichenden Morphologie erstmals zwei innovative Forschungsansätze angewandt, nämlich die Geometrische Morphometrie (GMM) und altDNA-Analysen. Mit diesem Ansatz wäre es auch möglich, die Genauigkeit der drei Methoden zu vergleichen. Unsere Studie berücksichtigte 547 Unterkieferzähne und Langknochen aus dem Keltenoppidum von Manching sowie aus sieben weiteren Fundorten entlang des Limes, Biriciana/Weißenburg, Quintana/Künzing, Abusina/Eining, Augustianis/Traismauer, Favianis/Mautern, Carnuntum/Petronell und Vindobona/Vienna. Vergleichende Osteomorphologie, GMM und aDNA-Analysen bestätigen übereinstimmend, dass Maultiere eine wichtige Rolle im römischen Militär und in der Wirtschaft spielten, denn jeder sechste Equide erwies sich als Maultier. Weder morphologisch noch mit Hilfe der aDNA konnten wir Maultiere in der keltischen Equidenpopulation nachweisen, was unsere erste Hypothese, dass das Maultier als kultureller Marker der Römerzeit angesehen werden kann, stark unterstützt. Abweichend davon deuteten GMM-Analysen auf das Vorhandensein von Hybriden in vorrömischer Zeit hin, doch erwiesen sich die für diese Methode herangezogenen modernen Referenzskelette als unzureichend, da die für die Eisenzeit und das Altertum so typischen schlanken Kleinpferde im Referenzpanel fehlten. Die für die Maultierzucht benötigten Eselhengste konnten wir zweimal nachweisen, wobei sich der Fund aus Raetien später mittels C14-Datierung als mittelalterlich entpuppte. Belege für Hausesel fehlen somit weiterhin für Raetien und Noricum, ein Zusammenhang mit dem kälteren Klima nördlich der Alpen liegt nahe. Auch die zweite Hypothese, dass Maultiere als Importe zu deuten sind, gewinnt nunmehr an Wahrscheinlichkeit: Einerseits sind die Hybriden im Forschungsmaterial ausnahmslos männlich, andererseits belegen die altDNA-Analysen Matrilinien, die nicht mit denjenigen in der lokalen römerzeitlichen Pferdepopulation übereinstimmen. AltDNA-Analysen zeigten darüber hinaus, dass die römerzeitliche Pferdepopulation nicht ausschließlich das Ergebnis von Importen, sondern teilweise auf Kreuzungen mit einheimischen Tieren zurückzuführen war, wie in der dritten Hypothese angenommen. Hervorzuheben ist auch, dass im römischen Militärdienst hauptsächlich Hengste und Wallache eingesetzt wurden und dass die Pferdezüchter bevorzugt einfarbige Tiere auswählten. Diese Ergebnisse stimmen mit den Aufzeichnungen im klassischen Schrifttum überein.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Modern Approach to Understand the Contribution of Mules to Roman Equine Populations in Austria and Germany. EvolVienna Meeting, October 2020.
Sharif M.B.; Mohaseb A.F.; Zimmermann M.I. & et al.
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Equids in the Roman Empire North of the Alps: A Multidisciplinary Perspective. Virtual Conference Ancient Biomolecules of Plants, Animals, and Microbes. Wellcome Genome Campus UK, 29.03-31.03.2021
Sharif M.B.; Mohaseb A.F.; Zimmermann M.I. & et al.
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Ancient DNA refines taxonomic classification of Roman equids north of the Alps, elaborated with osteomorphology and geometric morphometrics. Journal of Archaeological Science, 143, 105624.
Sharif, Muhammad Bilal; Mohaseb, Azadeh Fatemeh; Zimmermann, Michaela Isabell; Trixl, Simon; Saliari, Konstantina; Kunst, Günther Karl; Cucchi, Thomas; Czeika, Sigrid; Mashkour, Marjan; Orlando, Ludovic; Schaefer, Katrin; Peters, Joris & Mohandesan, Elmira
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Disentangling the shape of Eurasian Equid cheek teeth and metapodials in archaeological material. 5th Int. Conf. Archaeozoology of Southwest Asia (ASWA-ICAZ), Tokyo, 27.11.- 02.12.2022
Mohaseb A.F.; Cornette R.; Zimmermann M.I.; Davoudi H.; Berthon R.; Guintard C.; Cucchi T.; Hanot P.; Mohandesan E.; Eisenmann V.; Peters J. & Mashkour M.
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Equids in the Roman Empire North of the Alps: A Multidisciplinary Perspective. Scientific Advisory Board Meeting, Faculty of Life Sciences, University of Vienna, April 2022.
Sharif M.B.; Mohaseb A. F.; Zimmermann M.I. & et al.
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Predictive use of modern reference osteological collections for disentangling the shape of Eurasian equid cheek teeth and metapodials in archaeological material. International Journal of Osteoarchaeology, 33(5), 938-954.
Mohaseb, Azadeh F.; Cornette, Raphaël; Zimmermann, Michaela I.; Davoudi, Hossein; Berthon, Rémi; Guintard, Claude; Cucchi, Thomas; Hanot, Pauline; Mohandesan, Elmira; Eisenmann, Véra; Peters, Joris & Mashkour, Marjan
