Textrecycling im England des 17. Jahrhunderts – Ideen- und Debattentransfer in Zeiten des Bürgerkrieges und der englischen Republik (1638-1661)
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Unter Textrecycling werden mehr als nur bloße Nachdrucke verstanden. Vielmehr handelt es sich bei dem Begriff um eine Metapher, mit der verschiedene Textsorten untersucht werden können. Die überwiegende Zahl der identifizierten recycelten Texte geht auf prominente Autoren und/oder Akteure der englischen Geschichte zurück. Nachgedruckt werden sie, um die entscheidenden Debatten der Bürgerkriegszeit mitzugestalten, es handelt sich nicht um Kommentare zu Randthemen. Es lässt sich durch die Analyse der Nachdrucke zeigen, dass der von verschiedenen Vertretern der Forschung zum Bürgerkrieg und zur Republik immer wieder betonte Bruch mit der Vergangenheit, den die Akteure vollzogen – sei es in der Kirchenpolitik, sei es bei der Begründung des Kampfs gegen den Monarchen, sei es die Diskussion um die Souveränität des Parlaments – und die Propagierung neuer politischer Ideen und Handlungsoptionen in den Debatten sich nicht generell bestätigen lässt. Vielmehr kann gezeigt werden, welche Anstrengungen von den für die Nachdrucke Verantwortlichen unternommen wurden, um die eigene Gegenwart aus der Vergangenheit zu deuten, indem man ältere Texte, Bezüge und Autoritäten nutzte und als Sprecher in die Gegenwart überführte. Die publizistische Vorgeschichte, z. B. bei Marprelate oder John Napier, konnte dabei u. U. vollkommen reduziert werden, aber die für die Nachdrucke Verantwortlichen verzichteten dennoch nicht auf die Anknüpfung an die älteren Debatten und sei es nur noch durch die Verwendung eines signalwortartigen Autorennamens, der für eine bestimmte Tradition stand. Zugleich lässt sich hier zeigen, wie Drucker und Herausgeber den Markt für ältere Schriften einschätzten und entschieden, wann und wie ein älterer Text verändert und konfiguriert werden musste, um ihn anschlussfähig und verkäuflich zu machen. Nachdrucke wurden genutzt, um eine Kontinuität zwischen den zeitgenössischen Ereignissen und Debatten und der Vergangenheit Englands herzustellen. Diese Kontinuität konnte in einem zweiten Schritt Dynamik und Wandel in den zeitgenössischen Debatten zum Ziel haben, indem der Rückgriff auf ältere Motive durch zwangsläufig veränderte, weil andere Kontexte neue Interpretationsräume für die Vorstellung von gerechter Herrschaft, wahrer Religion und Englands Heil eröffnete.
