Der Einfluss von Aktivität und Umgebung auf das dynamische Sturzrisiko
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Stürze sind eiri häufiges Gesundheitsproblem, das zu Frakturen und im schlimmsten Fall zum Tod führen kann. Um geeignete Präventionsmaßnahmen und zuverlässige Algorithmen zur Sturzerkennung entwickein zu können, ist es wichtig, das komplexe Zusammenspiel der sturzrelevanten Faktoren besser zu verstehen. Dabei wurde bisher der Einfluss von Aktivitäten und Umweltfaktoren wenig untersucht. Ziel dieses Projekts war die automatisierte ldentifizierung dieser Faktoren, die Entwicklung von Paradigmen für die Simulation der identifizierten Aktivitäten und Umgebungsfaktoren sowie die Untersuchung von deren Effekten auf das Sturzrisiko. Dies sollte durch ein prototypisches dynamisches Sturzrisikomodell für vier ökologisch valide reale Szenarien (Türöffnung, Ausrutschen, Stolpern, Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel) operationalisiert werden. Die im Antrag formulierten Forschungsziele wurden größtenteils erreicht. Es war möglich relevante Sturzereignisse und reale Signal- und Videobeispiele aus bestehenden Datenbanken zu selektieren und unter Laborbedingungen nachzustellen. Die verwendete Methode des Reenactments stellt eine gute Möglichkeit dar, mehr Kenntnisse über Signale von Sturzereignissen zu erlangen, wenn detaillierte Berichte oder Videos fehlen. Darüber können die simulierten Daten genutzt werden, um Algorithmen zu trainieren, da es sehr schwierig ist, reale Stürze im Alltag aufzuzeichnen. Vergleiche mit realen Sturzdaten zeigten, dass die simulierten Daten eine gute Reproduktion darstellen. Auch die Entwicklung und Validierung eines auf Dynamic-Time-Warping basierenden Algorithmus, der alltägliche Aktivitäten erkennt und voneinander unterscheiden kann, wurde umgesetzt. Beispielsweise erkennt und unterscheidet er Gehen, Treppe hoch und runter steigen. Diese Aktivitäten sind vom Bewegungsmuster ähnlich und so schwer voneinander zu unterscheiden. Der Algorithmus kann mit beliebigen Aktivitätsmustern trainiert und erweitert werden. lm nächsten Schritt wurde für jedes ausgewählte Szenario ein Versuchsaufbau im Labor erstellt zur Analyse des komplexen Zusammenspiels von Aktivitäten und Umgebungsfaktoren im Experiment. Der Aufbau ermöglichte die Paradigmen unter verschiedenen Bedingungen und einstellbaren Faktoren zu simulieren und zu messen, um individuelle Sturzschwellen zu ermitteln. Ein Motion Capture System, lnertialsensorik und Videos zeichnete jede Bewegung präzise auf. lnsgesamt wurden 17 Personen im Alter von 60 Jahren oder älter gemessen. Es war in den Experimenten nur 2x möglich, die Proband*innen an die Sturzgrenze zu bringen. Daher wurde als stetige Zielgröße für das Sturzrisiko die Margin of Stability (MoS) verwendet. Sie beschreibt, wie nah eine Person an die Balance- bzw. Sturzgrenze kommt. Mit der MoS wurden anschließend Regressionsmodelle zur kontinuierlichen Bestimmung des Sturzrisikos entwickelt sowie der Zusammenhang mit intrinsischen Sturzrisikofaktoren untersucht. ln den Analysen zeigte sich, dass die Balance vor allem im ersten Schritt nach der Perturbation gestört war. Die MoS hat sich als geeignetes Maß zur stetigen Modellierung des Sturzrisikos während Aktivitäten gezeigt. Sie kann gut zwischen verschiedenen Risikogruppen differenzieren. Eine direkte kontinuierliche Bestimmung der MoS war bisher auf Grund technischer Limitationen noch nicht umsetzbar, soll aber zukünftig weiter verfolgt werden. lnsgesamt konnte in diesem Projekt ein Simulationsansatz entwickelt werden, um das individuelle Sturzrisiko mit Hilfe der Margin-of-Stability zu bestimmen und den Einfluss von Aktivität und Umgebung darauf zu modellieren.
