Sicherheit, Demokratie und Transparenz. NADIS, HYDRA und die Anfänge der elektronischen Datenverbundsysteme in der Bundesrepublik und den USA
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Die Bearbeitung des Projektes bestätigte, dass sich sowohl in den USA als auch in Westdeutschland am nachrichtendienstlich genutzten Computer gesellschaftliche Konflikte kristallisierten, die die Spannungsfelder zwischen Freiheit und Sicherheit, demokratischer Partizipation und staatlicher Geheimhaltung nachzeichnen. Historische Hintergründe sowie Unterschiede im politischen System, welches beispielsweise in den USA den Konflikt in weitaus stärkerem Maße als in der Bundesrepublik in den Raum der Rechtssprechung kanalisierte, wurde deutlich. Dort resultierten eine Reihe juristischer Niederlagen von Akteuren wie der ACLU in schwächeren Datenschutzstandards, die in ihrer Abweichung von europäischen Regelungen heute noch eine Herausforderung für multinationale Technologiekonzerne darstellen. Obgleich der ursprünglich aufgestellte Arbeitsplan des Teilprojektes durch den Ausbruch der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 nicht mehr durchzuführen war, konnten, nicht zuletzt aufgrund der Projektverlängerung durch die Corona-Soforthilfe, beinahe alle im Antrag formulierten Ziele erreicht werden. Durch das Projekt offenkundig gewordene Forschungsdesiderate sind einerseits weitere vergleichende Studien, insbesondere auch zwischen den Diensten westlicher Demokratien und Entwicklungen in autoritären Staaten. Zudem stellt sich die wichtige, wenngleich aufgrund der derzeit noch sehr limitierten Quellenbasis, zweifelsohne schwierig zu beantwortende Frage des Stellenwertes geheimdienstlicher Technologieentwicklungen für die Geschichte der Computerindustrie. Hier erscheint die Nachrichtendienstgeschichte bislang als wichtiges missing piece: Die führende Rolle des amerikanischen Militärs bei der Entwicklung des digitalen Computers stellt mittlerweile einen Allgemeinplatz der Technologiegeschichte dar, während in der deutschen Geschichtsschreibung Darstellungen der Computerisierung im Bereich der öffentlichen Sicherheit zumeist Horst Herold („Kommissar Computer“) und das Bundeskriminalamt in den Blick nehmen. Hingegen tauchen in einschlägigen Darstellungen die beträchtlichen Investitionen vornehmlich amerikanischer Nachrichtendienste in die Entwicklung leistungsfähiger Großdatenbanken zum Zwecke des schnellen Speicherns, Filterns und Auswertens großer Datenmengen kaum auf. Das hier beschriebene Projekt konnte auch dies exemplarisch anhand mehrerer Fallbeispiele nachzeichnen.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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“Handle with Care: CIA-BND Cooperation in the Field of Electronic Data Processing During the ‘Information Explosion’, 1964-1974”, 25th Annual Conference of the International Intelligence History Association, Deutsches Spionagemuseum, Berlin, 10.-12. Mai 2019
Jens M. Wegener
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“Computers, Intelligence Services and the Crisis of Visibility Since the Global 1960s” Forty-fifth Annual Conference of the German Studies Association, 29. September-4. Oktober 2021 (online)
Jens M. Wegener
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“Computing Cultures of Security”. Ethical Futures: Realities, Responsibilities and Resourcefulness, 2nd UK-German Frontiers of Humanities Symposium, 9.-22. Juni 2021 (online)
Jens M. Wegener
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“The Illusion of Transparency: Intelligence in America’s War on Crime”. 53. Deutscher Historikertag, 5.-8. Oktober 2021 (online)
Jens M. Wegener