Digital Ageing. Home-based Care Technologies for Senoirs
Final Report Abstract
Gesundheitsversorgung und -förderung greift sukzessive auf digitale Technologien zu. Hemmnisse und unintendierte sekundär und tertiär Effekte sind jedoch selten Bestandteil gesundheitswissenschaftlicher Forschung. Die Nachfrage nach Interviewterminen, Vortragsanfragen, nach der Veranstaltung von Fachtagen und Artikelanfragen waren während der Projektlaufzeit entsprechend groß. Finden qualitative Studien unabhängig von Technik-Implementationsprojekten statt, zeigt sich, dass Senior*innen zumeist keinen generellen Bedarf an wohnraumbasierten Technologien zeigen. Neben ethischen und sozialen Bedenken, sind Unklarheiten über die Finanzierung sowie Unkenntnis über Anwendungen und fehlende digitale Kompetenzen ausschlaggebend für eine Ablehnung. Auch das Management von chronischen Erkrankungen wird vor allem von jenen Personengruppen geleistet, die über ausreichend kognitive, emotionale, digitale und finanzielle Ressourcen verfügen. Für diese kann sich sowohl das Krankheitserleben als auch die Diagnose und Therapie verbessern. Diese Privilegierung eines Personenkreises bürgt die Gefahr, dass sich die gesundheitliche Ungleichheit vergrößert. Der Wohnraum verändert durch digitale Praktiken seinen Charakter. Dies wird in der Literatur als „home-hospital-hybrid“ (Willems 2008) betitelt. Hier sind es vor allem die selbstverantworteten Monitoringpraktiken, in deren Rahmen sich neue Anforderungen an Individuen in ihren privaten Räumen stellen. Die Praktiken können zu Überforderung beitragen, aber auch zu fehlerhaften Praktiken anregen. Dadurch, dass in Deutschland die Arzt-Patient*innen-Beziehungen oftmals hierarchisch strukturiert und von Zeitmangel geprägt sind, können negative Effekte nicht unbedingt aufgefangen werden. Zugleich zeigen sich Fortbildungsbedarfe bei pflegerischem und medizinischem Personal in Hinblick auf die selbstverantworteten Gesundheitspraktiken der Senior*innen. Alle Erhebungen zu digitalen Gesundheitspraktiken, auch jenen in der Corona-Pandemie, haben gezeigt, dass einerseits digitale Technologien ein hohes Potential besitzen, Individuen zu Praktiken zu ermächtigen, mit denen sie ihre eigene Gesundheit – bzw. in der Corona-Krise auch vermittelt über die Gesundheit der Gesellschaft – verbessern können. Gleichzeitig sind die Nutzer*innen dann aber auch damit konfrontiert, dass Datenschutz, Informationelle Selbstbestimmung und Datenmanagement nur begrenzt in ihren Händen liegen. Andererseits zeigt sich eine hohe Diskrepanz zwischen den gesundheitspolitisch avisierten Zielen, die mit der Digitalisierung erreicht werden sollen, und den tatsächlichen Effekten der Praktiken. Das Ziel der beiden Studienphasen wurde daher insofern erreicht, als dass sie beide zeigen, dass gesundheitswissenschaftliche Forschung an den digitalen Praktiken ansetzen muss, um die Diskrepanz zwischen hehren gesundheitspolitischen Zielen und dem tatsächlichen Nutzen und der konkreten Wirkung der digitalen Praktiken zu verstehen.
Publications
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