Die geschichtstheologischen Traktate "De semine scripturarum" und "De principe mundi" des Anonymus Bambergensis: Überlieferungskritische Untersuchung, geistesgeschichtliche Einordnung und kritische Edition
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Dem Projekt fehlt noch ein befriedigendes Ende, da die zentrale Edition der Opera Omnia des Anonymus Bambergensis momentan nicht in publizierbarer Manuskriptform vorliegt. Positiv festzuhalten ist auch, dass ganz zentrale Ergebnisse des Projekts durch Publikationen bereits jetzt oder demnächst greifbar sind: Eines der ungewöhnlichsten Theologeme des Anonymus, sein auf ein frömmigkeitspraktisches Konzept des Origenes über viele Umwege zurückgehender Diabolotrinitarismus, liegt in einem Aufsatz aufgearbeitet vor: Der Anonymus sah nach dem dämonologischen Grundaxiom, dass der Teufel stets nach einer imitatio perversa Gottes strebe, diese auch in dessen wie bei Gott trinitarischem Wesen. Das Konzept des Origenes führte in der Theologiegeschichte etwa des 12. Jahrhunderts über die Frömmigkeitspraxis hinaus zu dämonologischen Debatten über das Wesen des Teufels. Beim Anonymus ist daneben v.a. eine außergewöhnliche Geschichtsperiodisierung von Interesse: Die Geschichte teile sich in vom Teufel unterschiedliche beeinflusste Phasen ein, je nachdem wie viele Personen der teuflischen Trinität handlungsfähig seien. Neben der Passion Christi, die Teufel den Vater in Ketten geschlagen habe, sei dabei die Fesselung Teufels des Sohnes in einem Drachen unter dem Kapitol äußerst einschränkend für die Handlungsmöglichkeiten des Teufels. Gefesselt habe die zweite Person der teuflischen Trinität Papst Silvester I., dem der Anonymus damit eine für geschichtstheologische Ansätze der Zeit außergewöhnlich positive Rolle in der Kirchengeschichte gibt. Zu einem weiteren zentralen Theologem des Anonymus, nämlich der eschatologischen Rolle der Juden, liegt demnächst eine Kontrollstudie zu einem inhaltlich parallelen Autor, nämlich Johannes von Rupescissa, vor. Ein weiterer, im Haupttext abgeschlossener Aufsatz zu besagtem Theologem soll in den nächsten Monaten in den Nachweisen fertiggestellt und dann zur Publikation geführt werden. Er wird sowohl den außergewöhnlichen Charakter dieses Theologems beim Anonymus zeigen wie auch dessen dem Zeitgeist entsprechenden zunehmenden Rückbau im Zuge der Rezeption seiner Werke. Weitere wesentliche Ergebnisse liegen bereits gedruckt vor, was den Bamberger Hintergrund der Werke des Anonymus angeht: In einem ersten Aufsatz konnte ich hochplausibel machen, dass hinter dem Anonymus der Bamberger Domdekan Gundeloh von Memmelsdorf steht. In einer demnächst erscheinenden biographischen Studie werde ich aufweisen, wie genau die Werke des Anonymus zu den von mir erhobenen Fakten zu Gundeloh passen. Insgesamt lässt sich also sagen, dass die editorische und inhaltliche Erschließung des Anonymus in der hier vorgestellten Förderung durch die DFG erheblich vorangekommen ist und dass die angestrebte kommentierte Edition der Texte des Anonymus in greifbare Nähe rückt.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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The Infernal Trinity as Passivized Pacemaker of Salvation History: Satan’s Particular Eschatological Activity in Anonymus Bambergensis’ Tracts De semine scripturarum and De principe mundi. The End(s) of Time(s), 221-266. BRILL.
Kaup, Matthias
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Zur Identität des Anonymus Bambergensis. Über den Autor des wirkmächtigsten Produkts der hochmittelalterlichen Bamberger Bildungsgeschichte, in: Bericht des Historischen Vereins Bamberg 157 (2021), S. 41-57.
Matthias Kaup
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Des kôres bluome, der guote techent Gundelôch - Eine biographische Studie über Gundeloh von Memmelsdorf (um 1160 – 10.1.1223), Bamberger Domdekan, Diplomat und Verehrer der Heiligen Kunigunde, in: Bericht des Historischen Vereins Bamberg 159 (2023)
Matthias Kaup
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Gog et Magog nondum sunt in orbe nec umquam fuerunt. – John of Rupescissa, the Hardened Dregs of the Next Antichrist and Christian Self-Criticism. Gog and Magog, 339-402. De Gruyter.
Kaup, Matthias
