Geschichte der Ostsee-Hypoxie rekonstruiert mit Muschelschalen
Ökologie und Biodiversität der Tiere und Ökosysteme, Organismische Interaktionen
Physik, Chemie und Biologie des Meeres
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Das Projekt zielte darauf ab, einen Multiproxy-Ansatz zur Rekonstruktion der Konzentration gelösten Sauerstoffs (DO) zu entwickeln und diese Methode auf die Entwicklung von Hypoxia in der Ostsee seit Beginn der Industriellen Revolution mit beispiellos hoher zeitlicher Auflösung nachzuzeichnen. Zu diesem Zweck wurden elementchemische Analysen mittels LA-ICP-MS an Schalen von drei langlebigen Muschelarten (Arctica islandica, Astarte borealis, A. elliptica) zweier Lokalitäten (Mecklenburger Bucht, Fehmarn Belt) durchgeführt. Außerdem wurde die Ultrastruktur in A. islandica mittels SEM untersucht und mit KI-unterstützter Bildverarbeitung analysiert. Geochemische and morphologische Daten wurden mit instrumentellen Meßdaten von DO, Temperatur, Salzgehalt, Fließraten von Flüssen, barotropischen Einflüssen aus der Nordsee und Phytoplankton verglichen. Folgende Hauptresultate wurden erzielt: (1) Mn/Cashell Werte nehmen sowohl mit zunehmendem Lebensalter als auch sinkender Zuwachsrate ab. Nach mathematischer Elimination dieser physiologischen Trends, liefern die monatlich aufgelösten Mn/Ca Daten der Muschelschalen einen zeitlich genau datierten DO-Proxy-Datensatz. (2) Die drei untersuchten Arten (A. islandica, A. borealis, A. elliptica) lassen sich austauschbar als präzise datierte DO-Archive nutzen. (3) Mn/Ca-Daten der Schalen kovariierten mit DO-Werten. Das deutet darauf hin, daß die Muscheln Mn in gelöster Form aufnahmen. (4) DO-Mangel hinterläßt Spuren in der Schalenultrastruktur and führt zur Bildung von Störungslinien. Die Prominenz dieser Linien steigt mit dem Grad der DO-Verarmung, weil die Biomineraleinheiten zunehmend kleiner und länglicher werden. Um die Schalenultrastruktur als DO-Proxy einzusetzen, sind Mn/Cashell-Daten nötig. (5) Bereits seit Mitte des 19. Jahrhunderts erlebt die westliche Ostsee saisonale Verarmung an DO, aber in jüngerer Zeit steigt die Häufigkeit von Hypoxia-Ereignissen. Anthropogene Eutrophierung gilt als Hauptursache für den DO-Mangel, was durch kontinuierlich ansteigende Ba/Cashell-Werte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bestätigt wird. Der Ba/Cashell-Anstieg reflektiert eine Zunahme an Phytoplankton und Änderung der vorherrschenden Diatomeen-Vergesellschaftung. In jüngerer Zeit korrelieren Phosphorgehalt im Wasser und Mn/Cashell. Kontrollierte Labor-Experimente könnten nützlich sein, um die hier entwickelten DO-Proxys zu verfeinern, d.s. Mn/Cashell und Störungslinien. Mit Aquarienexperimenten ließe sich auch die Annahme prüfen, daß scharfe Mn/Cashell-Spitzen aus der Aufnahme partikulären Mangans herrühren, während die Hintergrundvariation von Mn/Cashell auf der Aufnahme gelösten Mangans beruht. Künftige Studien sollten hier angestoßene Arbeiten fortsetzen and unabh. datierte fossile Schalen zur Rekonstruktion der DO-Geschichte der länger zurückliegenden Vergangenheit und einer größeren Region einsetzen. Solche Daten könnten einen Beitrag zum verbesserten Ökosystemmanagement und Naturschutz in der Ostsee leisten.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Mn/Ca in shells of Arctica islandica (Baltic Sea) – A potential proxy for ocean hypoxia?. Estuarine, Coastal and Shelf Science, 251, 107257.
Schöne, Bernd R.; Huang, Xizhi; Zettler, Michael L.; Zhao, Liqiang; Mertz-Kraus, Regina; Jochum, Klaus Peter & Walliser, Eric O.
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High-Resolution Reconstruction of Dissolved Oxygen Levels in the Baltic Sea With Bivalves – a Multi-Species Comparison (Arctica islandica, Astarte borealis, Astarte elliptica). Frontiers in Marine Science, 9.
Schöne, Bernd R.; Huang, Xizhi; Jantschke, Anne; Mertz-Kraus, Regina & Zettler, Michael L.
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High-resolution history of oxygen depletion in the SW Baltic Sea since the mid-19th century as revealed by bivalve shells. Science of The Total Environment, 888, 164011.
Huang, Xizhi; Zhao, Liqiang; Zettler, Michael L.; Mertz-Kraus, Regina; Jochum, Klaus Peter & Schöne, Bernd R.
