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Psychophysiologische Adaptivität und die Entstehung von paranoidem Wahn.
Antragstellerin
Professorin Dr. Annika Clamor
Fachliche Zuordnung
Persönlichkeitspsychologie, Klinische und Medizinische Psychologie, Methoden
Förderung
Förderung von 2018 bis 2023
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 407085702
Aufgrund der negativen Auswirkungen von paranoider Symptomatik und der bislang unzureichenden Therapieerfolge ist ein besseres Verständnis der Entstehung von Wahn essentiell. Wie in Vulnerabilitäts-Stress-Modellen postuliert, folgern bisherige Studien eine Dysregulation der Stressreaktion, wie z.B. erhöhtes autonomes Arousal, verstärkter negativer Affekt und eine abweichende Cortisolausschüttung. Es ist jedoch unklar wie genau eine maladaptive Stressreaktion zu Symptomen führt. Zur Beantwortung dieser Frage bietet das neuroviszerale Modell (Thayer & Lane, 2000) eine wichtige Grundlage. Laut dem Modell ist die parasympathische Herzratenvariabilität (HRV) ein Indikator für die flexible Anpassung des Organismus und steht als Index für die Effektivität kortikal-peripherer Feedbackschleifen zudem mit der Funktionsfähigkeit der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse und Emotionsregulation im Zusammenhang. Bei gesunden Probanden wurde gezeigt, dass eine geringe HRV prädiktiv für eine physiologische Maladaptivität ist, was sich in der mangelnden Erholung nach einem Stressor zeigte. Bei Probanden mit psychotischen Störungen wurde wiederholt eine deutlich geringere HRV als bei gesunden Probanden gefunden. Hierauf aufbauend wird das Projekt den Zusammenhang zwischen einer geringen HRV und der psychophysiologischen Adaptivität bei Personen mit paranoidem Wahn (PW) untersuchen. Es wird angenommen, dass durch die mit einer niedrigen HRV assoziierten Defizite in der Emotionsregulation eine Wiederherstellung der Homöostase nach einem Stressor ausbleibt und die Bedrohungswahrnehmung so aufrechterhalten bleibt.In einer Stichprobe von Personen mit PW (aktuell oder in der Vorgeschichte; n=50) soll im Vergleich mit gesunden Personen (n=50) überprüft werden, (1) ob eine veränderte Adaptivität bei PW in Form einer weniger effektiven Erholung nach einem Stressor besteht; (2) ob eine weniger effektive Erholung mit einer verstärkten Reaktion auf erneute Stressoren assoziiert ist; und (3) welche Mechanismen die dysfunktionale Erholung und Stresssensitivität erklären könnten bzw. ob diese Mechanismen (d.h. Prädiktivität der verminderten Baseline-HRV, mediierende bzw. moderierende Rolle der Emotionsregulation, verstärkter negativer Affekt) mit dem Anstieg von Paranoia zusammenhängen. Um die Annahmen zu testen, durchlaufen die Teilnehmer zwei Stressorphasen (Bilateraler Fuß-Cold-Pressor Task plus Paced Serial Addition Task), denen sich jeweils eine Erholungsphase anschließt. Die erste Erholung beträgt 60 Minuten, um eine Speichelcortisolreduktion zur Baseline zu ermöglichen. Neben dem verbesserten Verständnis für die Mechanismen der Wahnentstehung soll das Projekt einen wichtigen Beitrag zur Klärung der prädiktiven Aussagekraft einer verminderten HRV für die psychophysiologische Adaptivität und Symptomentstehung bringen. Aus diesem Verständnis könnten gezielt effektive Therapieverfahren (z.B. Biofeedback; Emotionsregulationsfokussierte Therapie) gebahnt werden.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen
Mitverantwortlich(e)
Professorin Tania Marie Lincoln, Ph.D.