Die Abbildung des auditorischen Raumes im Mittelhirn von Vögeln: Integration ohne Karte?
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Die Verarbeitung von akustischen Stimuli bei Vögeln ist im Wesentlichen bei Schleiereulen untersucht worden, die aber eine sehr spezialisierte Form der Vögel darstellen. Generalisten bei den Vögeln haben weder externe Bildungen wie Schleier und auch kein hypertrophiertes auditorisches System. Es stellte sich also die Frage, wie gut Generalisten (beispielsweise das Haushuhn, Gallus gallus domesticus) Schall lokalisieren können und wie die multimodale Verarbeitung im Zentralnervensystem erfolgt. Zentral dabei sollte untersucht werden, ob akustische Stimuli in Form einer Raumkarte im Mittelhirn (optisches Tectum) in die visuelle Raumkarte eingebunden werden. Verhaltensuntersuchungen zur Lokalisationspräzision ergaben eine vergleichsweise gute Lokalisation entlang des Horizonts (Azimuth), die mit durchschnittlich 16° minimal auflösbarem Winkel im Vergleich zu anderen bereits untersuchten Vogelarten sehr gut ist. Hier scheint der vergleichsweise große Schädel sowie der luftgefüllte interaurale Kanal eine Rolle zu spielen. Die Lokalisation in der Höhe (Elevation) konnte leider nicht untersucht werden, da im Verhaltensparadigma dieser Transferschritt von den Tieren nicht mehr in der zur Verfügung stehenden Zeit gelernt wurde. Die Ableitungen von auditorischen räumlichen rezeptiven Feldern im Mittelhirn konnte erfolgreich durchgeführt werden und die Kartierung erfolgen. Dabei zeigte sich, dass die eher klassisch rund organisierten Felder vor allem im optischen Tectum zu finden waren, allerdings ohne eine erkennbare Topographie. Interessanterweise konnte ein zweiter Typ rezeptives Feld mit einer ringförmigen Feldstruktur beschrieben werden, der vor allem in einer auditorischen Relaisstation (der Formatio reticularis pars externa, FRLx) zu finden war und der eine topographische Verteilung von Zellen mit unterschiedlicher Größe aufwies. Die Implikationen dieser Befunde weisen auf eine Funktion des auditorischen Systems als ein Hilfssystem für die Ausrichtung der visuellen Achse hin. Da der Sehsinn bei auditorischen Generalisten den zentralen Fernsinn darstellt, könnte dies die plesiomorphe Situation in der Wirbeltierevolution darstellen. Die daran anschließende Frage, ob die akustisch responsiven Zellen im optischen Tectum auch visuell stimulierbar sind und wie die Integration der auf Einzelzellebene mechanistisch funktioniert, konnte aus Zeitgründen leider nicht experimentell untersucht werden. Die hier durchgeführten Untersuchungen werfen ein neues Licht auf die Funktion des auditorischen Systems in der Wirbeltierevolution und haben zu neuen Hypothesen geführt, die in zukünftigen Studien bearbeitet werden.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Auditory localization in the chicken – neurophysiology and behaviour. Meeting of the Society for Neuroscience, 2021
Maldarelli, G., Firzlaff, U., Luksch, H.
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Characterization of the auditory space receptive fields in the optic tectum of the domestic chicken (Gallus gallus domesticus). 14th Göttingen Meeting of the German Neuroscience Society, 2021
Maldarelli, G., Firzlaff, U., Ondracek, J., Luksch, H.
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Azimuthal sound localization in the chicken. PLOS ONE, 17(11), e0277190.
Maldarelli, Gianmarco; Firzlaff, Uwe & Luksch, Harald
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Two Types of Auditory Spatial Receptive Fields in Different Parts of the Chicken's Midbrain. The Journal of Neuroscience, 42(23), 4669-4680.
Maldarelli, Gianmarco; Firzlaff, Uwe; Kettler, Lutz; Ondracek, Janie M. & Luksch, Harald
