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Nichtgleichgewichtsdynamik des kritischen Verhaltens eines Kosterlitz-Thouless-Phasenüberganges

Antragsteller Dr. Peter Keim
Fachliche Zuordnung Statistische Physik, Nichtlineare Dynamik, Komplexe Systeme, Weiche und fluide Materie, Biologische Physik
Experimentelle Physik der kondensierten Materie
Förderung Förderung seit 2018
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 408261333
 
Mit einem kolloidalen Ensemble in zwei Dimensionen (2D) wollen wir die Entstehung von topologischen Defekten untersuchen, wenn das System fern vom thermodynamischen Gleichgewicht durch einen kontinuierlichen Phasenübergang getrieben wird.Im Gleichgewicht wird das Schmelzen zweidimensionaler Monokristalle mit dem berühmt gewordenen Kosterlitz-Thouless-Halperin-Nelson-Young-Szenario (KTHNY-Theorie) beschrieben. In dieser Theorie zerstörten thermisch aktivierte topologische Defekte Positions- und Orientierungsordnung. Für wohldefinierte kontinuierliche Phasenübergänge wie sie die KTHNY-Theorie beschreibt, müssen Schmelzen und Frieren reversibel und unabhängig von der Vorgeschichte des Materials sein. Wie wir in vorangegangenen Arbeiten gezeigt haben ist das nicht der Fall und Zeitumkehrinvarianz ist nicht erfüllt; die Flüssigkeit fror nie zu einem Monokristall, sondern wurde hochgradig polykristallin. Der spontane Symmetriebruch fand nicht global statt, vielmehr werden Defekte eingefroren. Wir haben jüngst gezeigt, dass diese Beobachtungen für kleine (lineare) Kühlraten mit dem Kibble-Zurek Mechanismus (KZM) beschrieben werden können.Dieser wurde von Tom Kibble ursprünglich dafür entwickelt, die Defektdichte des primordialen Higgsfeldes während des Abkühlens und der Expansion des frühen Universums kurz nach dem Urknall zu beschreiben. Regionen, die so weit voneinander entfernt sind, dass sie nicht einmal mit Lichtgeschwindigkeit im Austausch stehen, können nicht notwendig den gleichen Ordnungsparameter während der Symmetriebrechung annehmen. W. Zurek hat diese Idee auf kondensierte Materie und Quantenflüssigkeiten übertragen. Aufgrund der kritischen Verlangsamung der Ordnungsparameterfluktuationen während des Kühlens muss das System aus dem thermodynamischen Gleichgewicht fallen und Monopole oder Korngrenzen in die Tieftemperaturphase einbauen.Wir wollen dies mittels einer Monolage aus mikrometergroßen superparamagnetischen Partikeln untersuchen, die Brownsche Bewegung an einer absolut flachen Grenzfläche vollführen. Anders als in „echten“ atomaren Systemen sind die Partikel so groß UND so langsam, dass sie per Videomikroskopie auf allen relevanten Zeitskalen beobachtet werden können. Wir können das Ensemble auf Zeitskalen Abkühlen, die um Größenordnungen schneller sind, als die kürzeste intrinsische Zeitskala, der Brownschen Zeit. In atomaren Systemen ist diese Zeit < 10^-10sec, zusätzlich ist der Wärmefluss limitiert. In kolloidalen Systemen sind somit im Vergleich unerreicht schnelle Kühlraten möglich, welche selbst in Quantenflüssigkeiten de facto experimentell nicht zugänglich sind, geschweige denn für das primordiale Higgs-Feld. Für ultraschnelle Kühlraten erwarte ich im Gegensatz zur Nukleation, dass die späte Domänenverteilung nicht von der Tiefe des Quenches nach dem Sprung abhängt, sondern ausschließlich von den Fluktuationen des Ordnungsparameters vor dem Quench und dem ultrafrühen Stadium des lokalen spontanen Symmetriebruchs.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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