Detailseite
Projekt Druckansicht

Molekulare Simulationen zur Chemie der Innenräume

Antragsteller Dr. Michael von Domaros
Fachliche Zuordnung Theoretische Chemie: Elektronenstruktur, Dynamik, Simulation
Physikalische Chemie von Molekülen, Flüssigkeiten und Grenzflächen, Biophysikalische Chemie
Förderung Förderung von 2018 bis 2021
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 409294855
 
Erstellungsjahr 2021

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Die meisten Menschen verbringen den Großteil ihrer Zeit in Innenräumen, wo sie den vielfältigen chemischen Prozessen der Innenraumluft ausgesetzt sind. Viele dieser Prozesse finden an Oberflächen statt, welche in Innenräumen ubiquitär sind (Glas, Gips, Holz, . . . ). Eine oftmals in Aufzählungen vernachlässigte Oberfläche ist dabei die menschliche Haut. Diese ist mit einer komplexen Mischung ungesättigter organischer Verbindungen (Hautölschicht), wie beispielsweise dem Squalen, bedeckt. Solche Verbindungen werden in Innenräumen durch Ozon oxidiert, wodurch potentiell schädliche Carbonylverbindungen in unmittelbarer Nähe des menschlichen Körpers entstehen. Um abzuschätzen, wie sich diese Verbindungen zwischen Haut, Innenraumluft und Blutkreislauf verteilen, wurden umfangreiche Molekulardynamiksimulationen (MD-Simulationen) durchgeführt. Konkret wurden Diffusionskonstanten, Oberflächen- und Volumenakkommodationskoeffizienten, Desorptionszeiten und Verteilungskoeffizienten bestimmt. Alle oben genannten Größen werden in kinetischen Modellen benötigt, welche eine Extrapolation der atomistischen Simulationsergebnisse auf makroskopische Längenskalen erlauben. Die MD-Simulationen haben gezeigt, dass die zuvor verwendeten, empirischen Methoden zur Abschätzung dieser Parameter ungenügend sind. Die Ergebnisse der kinetischen Modelle wiederum dienen als Eingangsgrößen für numerische Simulationen der Strömungsmechanik (computational fluid dynamics, CFD), welche von Kollaborationspartnern durchgeführt wurden. Diese Simulationen haben gezeigt, dass die thermische Charakteristik des menschlichen Körpers zu einer Schadstofffahne führt, infolge derer die flüchtigen Oxidationsprodukte der Hautöle erhöhte Konzentrationen im Atemwegsbereich aufweisen. Die nichtflüchtigen Reaktionsprodukte können potentiell in den Blutkreislauf absorbiert werden, sofern sie das Stratum Corneum (SC), die barrierebildende Schicht der menschlichen Haut, passieren können. Für dieses komplexe biologische Konstrukt wurden effektive Diffusionskonstanten mit Hilfe von fortgeschrittenen MD-Simulationsmethoden und Transportmodellen berechnet. Auch diese werden in kinetischen Modellen benötigt, um den Transport durch das SC zu beschreiben. Die vorläufigen Ergebnisse zeigen überraschend hohe effektive Diffusionskonstanten, was zu einem deutlich höheren Stofftransport in den Blutkreislauf als zuvor angenommen führen würde. Diese Ergebnisse müssen jedoch noch validiert werden, da es sich aufgrund der verwendeten Methodik auch um Artefakte der Simulation handeln könnte. Hieran wird gegenwärtig gearbeitet. Neben der Quantifizierung von wichtigen Stofftransportparametern wurden auch mechanistische Erkenntnisse zu Prozessen an der Hautoberfläche gewonnen. So wurde durch die Kombination von MD-Simulationen und Summenfrequenzspektroskopie gezeigt, dass Squalen eine ausgeprägte Oberflächenstruktur aufweist, welche zu unterschiedlicher Reaktivität an den verschiedenen Doppelbindungen des Moleküls führen kann. Weiterhin wurde eine Tendenz, Wasser zu adsorbieren, beobachtet. Adsorbiertes Wasser könnte die Oberflächenchemie empfindlich beeinflussen. Inwieweit diese Effekte einen makroskopisch messbaren Einfluss haben wird gegenwärtig untersucht.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Modelling consortium for chemistry of indoor environments (MOCCIE): Integrating chemical processes from molecular to room scales. Environ. Sci. Proc. Imp. 21 (8), 1240–1254 (2019)
    M. Shiraiwa, N. Carslaw, D. J. Tobias, M. S. Waring, D. Rim, G. Morrison, P.S. J. Lakey, M. Kruza, M. von Domaros, B. E. Cummings, Y. Won
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1039/C9EM00123A)
  • The impact of clothing on ozone and squalene ozonolysis products in indoor environments. Comms. Chem. 2 (1), 1–8 (2019)
    P. S. J. Lakey, G. C. Morrison, Y. Won, K. M. Parry, M. von Domaros, D. J. Tobias, D. Rim, M. Shiraiwa
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1038/s42004-019-0159-7)
  • Multiscale modeling of human skin oil-induced indoor air chemistry: Combining kinetic models and molecular dynamics. J. Phys. Chem. B 124 (18), 3836–3843 (2020)
    M. von Domaros, P. S. J. Lakey, M. Shiraiwa, D. J. Tobias
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1021/acs.jpcb.0c02818)
  • Molecular orientation at the squalene/air interface from sum frequency generation spectroscopy and atomistic modeling. J. Phys. Chem. B 125 (15), 3932–3941 (2021)
    M. von Domaros, Y. Liu, J. L. Butman, E. Perlt, F. M. Geiger, and D. J. Tobias
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1021/acs.jpcb.0c11158)
 
 

Zusatzinformationen

Textvergrößerung und Kontrastanpassung