Empirische Evaluation eines Lesetrainings auf Silbenbasis zur Förderung der basalen Lesefähigkeit von Grundschulkindern mit Leseschwierigkeiten
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Im Rahmen des Forschungsprojekts wurde die Wirksamkeit unterschiedlicher Trainingsmethoden zur Förderung der Lesefähigkeit von Kindern mit Leseschwierigkeiten überprüft. Es wurden drei Gruppen gebildet: Eine Gruppe erhielt ein spezifisches Training, In dem explizit visuelle Segmentierungsstrategien zum Lesen von Wörtern mit größeren Einheiten vermittelt wurden. Die zweite Gruppe erhielt ein unspezifisches Vorlesetraining und die dritte Gruppe blieb zunächst untrainiert. Es sollte überprüft werden, ob Kinder mit Leseschwierigkeiten stärker von einem spezifischen Training profitieren oder ob sie ihre Lesegeschwindigkeit und -genauigkelt auch durch zusätzliche Übung im lauten Lesen von Texten verbessern können. Die Ergebnisse zeigen, dass die Lesegeschwindigkeit und -genauigkelt von leseschwachen Kindern durch die Vermittlung und Übung expliziter Segmentierungsstrategien langfristig verbessert werden konnte. Ein Vorlesetraining wirkte sich positiv auf die Lesegeschwindigkeit aus; allerdings wirkte das Training nur in geringem Maß über den Trainingszeitraum hinaus. Die Befunde sprechen dafür, dass sich ein Training des phonologischen Rekodierens mit größeren Verarbeitungseinheiten positiv auf die Verbesserung der Lesefähigkeit von leseschwachen Kindern auswirkt. Die Ergebnisse unterstützen die „self-teaching hypothesis" von Share (1999), die davon ausgeht, dass das selbständige Dekodieren von Wörtern Kindern das eigenständige Lesen ermöglicht. Darüber hinaus unterstützen die Befunde Erwerbsmodelle, die davon ausgehen, dass die Fähigkeit zum phonologischen Rekodieren die Grundlage für das direkte Erkennen von Wörtern bildet (Ehri 1992). Im deutschsprachigen Raum gibt es bisher nur wenige Untersuchungen, die versuchen, die Lesegeschwindigkeit von Kindern zu trainieren. Diese versuchen das direkte Erkennen über das wiederholte Lesen zu fördern (Thaler et al. 2004); die Ergebnisse sind allerdings bisher nicht sehr vielversprechend. Eine wichtige Erkenntnis für den deutschsprachigen Raum ist deshalb, dass es möglich ist, die Lesegeschwindigkeit durch ein Training des phonologischen Rekodierens deutlich zu verbessern. Zusätzlich verbesserte sich auch die phonologische Bewusstheit für größere Einheiten deutlich, während die Ergebnisse für das schnelle Benennen nicht eindeutig sind. Weiter zeigte sich, dass die Einbeziehung sowohl pädagogisch-psychologischer Erkenntnisse zum Aneignungsprozess des Lesens als auch linguistischer Erkenntnisse zum Aneignungsgegenstand einen vielversprechenden Ansatz zur Förderung leseschwacher Kinder darstellt. Dabei erwies sich die Auswahl der Silbe als funktionale Verarbeitungseinheit für das Lesen mit größeren Einheiten sich als sinnvoll. Es Ist deshalb zu überlegen, ob eine stärkere Thematisierung der Silbe im Anfangsunterricht dazu beitragen kann, den Anteil von Kindern mit Leseschwierigkeiten zu senken. Damit könnte ein präventiver Beitrag zur Verhinderung der Entstehung von Leseschwierigkeiten geleistet werden. Überraschend waren die deutlichen Fortschritte der Gruppe, die das Vorlesetraining erhielt, auch wenn sie geringer waren als in der spezifischen Trainingsgruppe und darüber hinaus in der trainingsfreien Phase niedriger ausfielen. Die Bemühungen von „Lesepaten", die in der Schule mit Kindern lesen, können deshalb durchaus positiv beurteilt werden; bei der Förderung leseschwacher Kinder sollte die reine Leseübung jedoch durch ein Strategietraining im Sinne von PotsBlitz ergänzt werden.