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Effektivität künstlicher Gravitation zur Erhaltung von Muskelkraft und neuromuskulärer Interaktion während 60-tägiger Bettruhe

Fachliche Zuordnung Molekulare und zelluläre Neurologie und Neuropathologie
Anatomie und Physiologie
Orthopädie, Unfallchirurgie, rekonstruktive Chirurgie
Förderung Förderung von 2018 bis 2021
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 409520867
 
Erstellungsjahr 2021

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Die Schwere des Muskelabbaus steigt mit der Dauer der Entlastung des muskuloskelettalen Systems in Schwerelosigkeit und Bettruhe. Für Langzeitmissionen, zum Beispiel zu anderen Planeten, wie auch für immobilisierte Patienten, stellt der Verlust an Muskelkraft und -volumen einen kritischen Faktor dar, der die Gesundheit beeinträchtigt und das Gelingen von Raumfahrtmissionen gefährdet. Bettruhestudien werden als Modell für den Aufenthalt in Schwerelosigkeit genutzt. Die humane Zentrifugation stellt eine Alternative und mögliche Ergänzung zu klassischen Trainingsprogrammen dar, um dem Muskelabbau in Schwerelosigkeit entgegenzuwirken. Ziele der hier bearbeiteten Studie waren die Untersuchung der Effekte von Bettruhe und humaner Zentrifugation auf die neuromuskuläre Kopplung mittels elektrophysiologischer Methoden, der Analyse von Muskelbiopsien und der Konzentrationen neurotrophischer Faktoren im Blutserum. Im Rahmen einer Ausschreibung der European Space Agency (ESA) habe ich zusammen mit fünf internationalen Kollaborationspartnern ein Forschungspaket in der 60-tägigen Bettruhe-Studie mit humaner Zentrifugation (AGBRESA – Artificial Gravity Bed Rest European Space Agency) eingeworben. Die AGBRESA-Studie wurde am DLR in Köln mit 24 gesunden Probanden beider Geschlechter in Kooperation der ESA und der National Aeronautics and Space Administration (NASA) geplant und durchgeführt. Der Einsatz einer Kurzarm-Humanzentrifuge für 30 Minuten täglich mit einem G auf Herzhöhe sollte in dieser Studie als Gegenmaßnahme für den körperlichen Abbau in Bettruhe untersucht werden. Es gab drei Interventionsgruppen à 8 ProbandInnen: Kontrollgruppe (nur Bettruhe), intermittierende Zentrifugation (6 x 5 Minuten humane Zentrifugation pro Tag) und kontinuierliche Zentrifugation (30 Minuten humane Zentrifugation am Stück pro Tag). Die Studie erfolgte in zwei Kampagnen mit je 12 Teilnehmern (16 Männer und 8 Frauen). Die erste Kampagne wurde im Frühjahr 2019 durchgeführt (März bis Juni). Entgegen der ursprünglichen Planung, die zweite Campagne im Sommer 2019 umzusetzen, kam es zu einer Verzögerung in den Herbst 2019 (September bis Dezember). Trotz dieser Verzögerungen konnten wir alle Probeentnahmen und Messungen wie geplant durchführen. Die Anzahl und Größe der motorischen Einheiten haben wir im M. adductor digiti minimi (Hypothenar) und im M. tibialis anterior (Unterschenkel) mittels MUNIX/MUSIX erfasst, einer nicht-invasiven EMG-Methode. Die Messungen sind vor der Bettruhe und an den Tagen 4 und 59 erfolgt. Weder Bettruhe, noch humane Zentrifugation zeigten einen Effekt auf die Anzahl oder Größe der motorischen Einheiten. Die Ergebnisse haben wir im European Journal of Applied Physiology veröffentlicht. Die Analysen der Blutserumproben (entnommen vor der Bettruhe und an den Tagen 6, 20, 40 und 57) sind mittels kommerzieller ELISA-Kits und eines kolorimetrischen Assays erfolgt. Die folgenden Parameter wurden bestimmt: GDF-8/Myostatin, Slow skeletal muscle Troponin T, Creatine kinase activity, Prostaglandin E2, Brain derived neurotrophic factor (BDNF), Glial cell line-derived neurotrophic factor (GDNF), and C-terminal Agrin Fragment. Vor der Bettruhe zeigten sich keine Unterschiede zwischen den Gruppen, Geschlecht oder Alter. Die Analysen ergaben keine signifikanten Bettruheeffekte oder Effekte der humanen Zentrifugation auf die gemessenen Parameter. Auch gab es keine Unterschiede zwischen kontinuierlicher und intermittierender Zentrifugation. Die Analysen der Muskelbiopsien sind aktuell noch nicht abgeschlossen. Die ersten Zwischenergebnisse zeigen typische Veränderungen der Bettruhe ohne einen Effekt der humanen Zentrifugation. Die Ergebnisse der Single Fibre Analyse, Histologie, der Mitochondrienfunktion und der elektronenmikroskopischen Analysen werden wir zusammen veröffentlichen. Unsere Ergebnisse der AGBRESA-Studie deuten darauf hin, dass auf Raumflügen der Einsatz humaner Zentrifugation allein nicht ausreicht, um die neuromuskuläre Interaktion zu stimulieren und damit den Muskelabbau aufzuhalten. Mit dem aktuellen Konsortium konnte ich als Folgeprojekt bei der ESA ein Experiment auf der Internationalen Raumstation ISS einwerben in dem es um den Einsatz muskulärer Elektrostimulation als Gegenmaßnahme geht.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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