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Beitrag von bottom-up und top-down Prozessen zu perzeptiven Körperbildstörungen bei der jugendlichen Anorexia Nervosa

Antragstellerin Dr. Ida Wessing
Fachliche Zuordnung Persönlichkeitspsychologie, Klinische und Medizinische Psychologie, Methoden
Klinische Psychiatrie, Psychotherapie und Kinder- und Jugendpsychiatrie
Förderung Förderung von 2018 bis 2022
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 409656150
 
Erstellungsjahr 2023

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Anorexia nervosa (AN) ist eine schwer zu behandelnde Essstörung, die häufig jugendliche Mädchen betrifft. Eine Motivation für restriktives Essverhalten und Gewichtsabnahme ist häufig die Wahrnehmung des eigenen Körpers als „dick“, trotz eines niedrigen Gewichtes. Diese Körperbildstörung (KBS) ist ein Kernsymptom, da sie die Entwicklung einer Essstörung vorhersagt und mit dem Behandlungserfolg assoziiert ist. Eine wichtige offene Frage ist in diesem Zusammenhang, ob die KBS vornehmlich durch soziokulturelle und psychologische Faktoren (z.B. Schlankheitsideal, Perfektionismus) verursacht wird oder ob eine Wahrnehmungsstörung, als biologische Vulnerabilität, eine bedeutsame Rolle spielt. Das vorliegende Projekt adressiert diese Frage durch die Untersuchung der visuellen und taktilen Körperwahrnehmung und KBS bei jugendlichen Patientinnen mit AN. Es erfolgte ein Vergleich mit gesunden Kontrollprobandinnen im selben Alter und mit vergleichbarem IQ unter Verwendung von detaillierten klinischen Daten, Verhaltenstests und parallelen Messungen mittels Elektro- und Magnetenzephalographie (EEG und MEG). Die Studienergebnisse bestätigten das Vorhandensein und die hohe klinische Relevanz der KBS bei jugendlichen AN Patientinnen. Die Patientinnen berichteten nicht nur von einem Unwohlsein in ihrem Körper, sie schätzen ihren Körper auch in zwei Aufgaben zur Körpermaßschätzung als breiter ein, als er tatsächlich ist. Die basale visuelle und taktile Wahrnehmung waren in unserer Stichprobe adoleszenter AN Patientinnen intakt. Bezüglich der visuellen Wahrnehmung deuteten Verhaltens- und neurophysiologische Daten darauf hin, dass die visuelle Wahrnehmung von Körperbildern ungestört war, jedoch durch kognitivaffektive Prozesse verzerrt wurde. Im Bereich der taktilen Wahrnehmung waren die taktile Wahrnehmungsschwelle und die neuronale Differenzierung taktiler Reize bei AN Patientinnen intakt. Dennoch zeigten die AN Patientinnen schlechtere Leistungen in Aufgaben zur taktilen Reizdiskriminierung. Das deutet darauf hin, dass AN Patientinnen Schwierigkeiten haben, bewusst auf taktile Wahrnehmungsinformationen zuzugreifen. Insgesamt haben die Projektergebnisse deutliche Hinweise darauf ergeben, das Wahrnehmungsstörungen, die der KBS zugrunde liegen könnten, nicht im visuellen Bereich auftreten und richten die Aufmerksamkeit stattdessen auf den taktilen Bereich. Es erscheint somit sinnvoll, weitere Studien zur Rolle der taktilen Wahrnehmung für die KBS bei AN durchzuführen und die taktile Wahrnehmung bei der Therapie der KBS stärker zu berücksichtigen.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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