The government bench. A study on the place of the government in Parliament as part of a "constitution of things"
Modern and Contemporary History
Public Law
Final Report Abstract
Die im Rahmen des Projekts erarbeitete Monographie untersucht grundlegend die symbolische Bedeutung der Ansiedlung der Regierungsplätze in der parlamentarischen Sitzordnung als Teil einer «Verfassung der Dinge», die zur geschriebenen Verfassungsordnung hinzutritt und deren Verständnis mitprägt. Am Beispiel der Plenarsaalarchitektur analysiert sie die Bedeutung physischer Objekte und deren Prägekraft für das Verfassungsgefüge und erweitert damit das Verständnis von Verfassung um eine materielle und performative Dimension. Durch ihren historisch-komparativen Zugriff – insbesondere den vertieften Vergleich mit der britischen und französischen Plenararchitektur – erlaubt sie eine genauere Analyse der spezifisch deutschen Plenarrangements mit der für sie charakteristischen Besonderheit, dass die Regierungsplätze in die dem Plenum der Abgeordneten gegenüberliegende Präsidiumsseite integriert werden. Die Studie arbeitet historisch und vergleichend heraus, dass dieses Arrangement im Deutschen Bundestag in gleichsam säkularisierter Form die Thronseite der Plenarsäle des neunzehnten Jahrhunderts fortführt und gerade deshalb im Verhältnis von Parlamentariern und Regierungsvertretern besonders interaktionsschwach ist, weil es zwischen ihnen kein unmittelbares Gegenüber Auge in Auge ermöglicht. Sie zeigt, dass das interaktionsschwache Design seine Entsprechung in der fortbestehenden Schwierigkeit des Bundestages findet, die Mitglieder der Bundesregierung in der parlamentarischen Praxis im Plenarsaal persönlich zu befragen und dadurch verantwortlich zu machen. Die Monographie arbeitet heraus, dass diese Sitzordnung sich zu Verfassungsrecht und Verfassungspraxis der Bundesrepublik zwiespältig verhält. Sie steht einerseits in einem offenkundigen Spannungsverhältnis zum unter dem Grundgesetz vorgesehenen und praktizierten parlamentarischen Regierungssystem, in dem Regierung und Parlamentsmehrheit rechtlich und noch mehr politisch eng miteinander verwoben sind. Zugleich kann sie aber weiterhin an gewisse Elemente des Verfassungssystems wie die eigenständige Stellung der Bundesregierung als Staatsorgan mit einer ihrem Ausmaß nach streitigen Neutralitätspflicht im Parteienwettbewerb ebenso anknüpfen wie an strenge Gewaltenteilungsideale einer Trennung zwischen Regierung und Parlament, Amt und Mandat, die in der Bevölkerung weiterhin verbreitet sind.