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Helfen, Mitleid und Reziprozität

Fachliche Zuordnung Soziologische Theorie
Förderung Förderung von 2018 bis 2019
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 412111809
 
Der zehnmonatige Aufenthalt als Mitglied der Class of Social Science am Institute for Advanced Study in Princeton stellt eine wichtige Projektphase in einem auf mehrere Jahre angelegten Vorhaben dar. Das Thema meiner Habilitation bildet eine "Soziologie des Helfens". Ziel dabei ist es, zu verstehen, welche Reziprozitätserwartungen mit dem freiwilligen Helfen einhergehen, welche Gefühle und Gefühlsregeln zwischen Helfern und Hilfsempfängern entstehen, von welchen normativen Orientierungen das Handeln von Helfern motiviert ist und welche normativen Fallstricke es in der Gesellschaft der Gegenwart produziert, insbesondere wenn es durch Mitleid motiviert ist.Diesen Fragen werde ich auf der Grundlage meiner Studie „Flüchtlingshilfe im ländlichen Raum“ nachgehen. Deren Ziel besteht darin, die impliziten Reziprozitätserwartungen sowie gelungene und scheiternde Reziprozitätsbeziehungen von Ehrenamtlichen und Geflüchteten in Dörfern zu untersuchen. Aufbauend auf Interviews und ethnografischen Beobachtungen gehe ich in meinem Projekt empirischen und theoretischen Fragen zu den Gabenbeziehungen des Helfens und ihren affektiven Dimensionen nach. Die zehn Monate im IAS werde ich nutzen, um erste empirische und theoretische Ergebnisse zu präsentieren und zwei englischsprachige Aufsätze zu schreiben. Der erste Aufsatz ist empirisch und befasst sich mit dem Zusammenhang von Helfen und Wechselseitigkeit. Die nach der dokumentarischen Methode ausgewerteten Daten bilden die Grundlage einer Typologie von Reziprozitätserwartungen Ehrenamtlicher. Der zweite Aufsatz ist theoretisch ausgerichtet und argumentiert dafür, dass die Einfühlung in das Leiden von Anderen ebenso zu symbolischen Ungleichheiten beitragen kann wie sie horizontale solidarische Beziehungen in Gang zu setzen in der Lage ist. In diesem Zusammenhang wird die Debatte um Mitleid als Quelle des Helfens rekonstruiert und in ihrer Dichotomie kritisiert: So wird Mitleid einerseits als Gefühl dargestellt, das seiner Natur nach paternalistisch ist, andererseits als moralisches Gefühl, das den Zusammenhalt von sozialen Bindungen stärkt. Im Aufsatz sollen auf der Grundlage von empirischen Fällen aus der Studie zu Flüchtlingshilfe die Bedeutung von Mitleid für Gleichheit und Ungleichheit in Helferbeziehungen erhellt werden. Ziel des Projekts ist es, ein Desiderat in der Emotionssoziologie zu erfüllen, die sich bisher mit Mitleid in freiwilligen helfenden Beziehungen kaum befasst hat. Außerdem sollen auch Ehrenamtliche in der Flüchtlingshilfe erreicht werden. Eine Reflexion der Engagierten auf ihre eigenen Gefühle und Erwartungen kann dazu beitragen, zu verhindern, dass es zu Enttäuschungen und Abbrüchen des Engagements kommt. So kann das Projekt zu Einsichten darüber verhelfen, wie gelungene Reziprozitätsbeziehungen mit Geflüchteten entstehen können oder wie mit einem Mangel an Reziprozität in der Praxis umgegangen werden kann.
DFG-Verfahren Forschungsstipendien
Internationaler Bezug USA
 
 

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