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Albanisch im Kontakt. Horizontaler Transfer und Identitätsstiftung in der Mehrsprachigkeitspraxis

Fachliche Zuordnung Allgemeine und Vergleichende Sprachwissenschaft, Experimentelle Linguistik, Typologie, Außereuropäische Sprachen
Förderung Förderung von 2019 bis 2023
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 412428938
 
Erstellungsjahr 2023

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Ziel des Projekts war es zu erfassen, wie Sprechende dreier Generationen der albanischen Sprachgruppe in Zürich und München ihre sprachliche Biographie interpretieren und gestalten, und inwiefern diese sprachliche Praxis in ihren vielfältigen soziokulturellen Kontexten zu einer Veränderung der in Kontakt stehenden Varietäten beiträgt. Dazu wurde ein umfangreiches Corpus an natürlichen und elizitierten Daten im Deutschen und Albanischen in drei Sprechergenerationen erhoben und aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet. Aus einer soziolinguistischen Perspektive konnte man feststellen, dass sich die Sprecherinnen und Sprecher in ihrem Alltag in beiden Sprachen bewegen, dass es aber je nach Generation eine unterschiedliche Gewichtung gibt. Während Albanisch für Generation I dominant im privaten Raum verortet wird, bestätigen die Daten die Verwendung des Deutschen im öffentlichen Raum nicht pauschal. Eine Wahrnehmung der Problematisierung des Albanischen zeichnet sich zwar ab, allerdings zeigt sich diese auch für Generation II. Es zeigt sich, dass die sprachliche Praxis der albanischsprachigen Herkunftssprachensprecher – inklusive der damit verbundenen Fragen der Gruppenzugehörigkeit – nicht nur durch das Verhältnis von Deutsch und Albanisch/Gegisch geprägt ist, sondern in mindestens gleichem Ausmaß auch durch die interne Reibung zwischen gegischer Alltags- und toskischer Standardsprache. Überraschend war in diesem Zusammenhang die stark sprachideologisch geprägte Ablehnung einer eigenen Sprachvarietät in der Diaspora, die auf dem gegischen Dialekt basiert, und die Hinwendung zum Standardalbanischen, zumindest im schriftlichen Medium. Auf systemlinguistischer Ebene ist es gelungen, interessante Sprachwandelprozesse zu belegen. So zeigt sich, dass die Herausbildung von Konventionen durch das Abreißen des vertikalen Transfers sowie die Zunahme von Vernetzungen innerhalb der sozialen Gruppe gefördert wird und auch in einer Kontaktumgebung nicht notwendigerweise Kontakteinfluss benötigt. Ein Vergleich der Konventionen in den albanischen Erzählungen für Zürich und München zeigt eine größere Variation für München, was auf die Relevanz der unterschiedlich starken Einbindung in albanischsprachige Netzwerke hinzudeuten scheint. Im Hinblick auf die Mehrsprachigkeitspraxis konnte anhand von Daten in natürlicher Interaktion in Familiennetzwerken gezeigt werden, wie die Sprecher ihr Gesamtsprachrepertoire nutzen, um einerseits bestimmte kommunikative Funktionen zum Ausdruck zu bringen, aber auch anderseits ihre Identität sprachlich zu markieren. Hier zeigte sich v.a. in der jüngsten Generation, dass das Albanische auch aus Respekt gegenüber der Großelterngeneration verwendet wird, dies aber zu komplexen Sprachmischungsprozessen führt, wenn die Sprachkompetenz im Albanischen nicht ausreichend ist. Hier müsste der Herkunftssprachenunterricht ansetzen, um die Sprachkompetenzen entsprechend zu stützen. Im Projekt wurde nicht nur ein reiches annotiertes und codiertes Corpus erstellt, das für weitere Forschungen öffentlich zugänglich gemacht wird, sondern auch eine Testbatterie entwickelt, die bei der Erforschung weiterer bilingualer Konstellationen gewinnbringend eingesetzt werden kann. Weitere online-Ressourcen wie ein Dependenz-Corpus, Wörterbücher und Grammatiken des Gegischen wurden ebenfalls im Projekt entwickelt und stehen der wissenschaftlichen Community für weitere Forschung zur Verfügung. Darüberhinaus wurde für die albanische Community eine Handreichung zum Albanisch-Unterricht für Herkunftssprachensprecher erstellt, die ebenfalls online zugänglich ist.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • “Sprachpraxis albanischer Kinder und Jugendlicher in der Diaspora aus der Sicht ihrer Albanischlehrkräfte”. In: Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht 26.2. 419–443.
    Selimi, Naxhi & Andrea Cantieni
  • “Sprachpraxis im Migrationskontext. Sprachprofile am Beispiel Albanisch sprechender Migranten und Migrantinnen der dritten Generation in Deutschland und der Schweiz”. In: Journal of Linguistics and Language Teaching 12.2, S. 219–244.
    Selimi, Naxhi
  • Spracheinstellungen im Migrationskontext. Am Beispiel des Albanischen und Deutschen”. In: Journal of Languages for Specific Purposes 9.3, S. 109–125.
    Selimi, Naxhi
  • “Codeswitching. Ergebnisse einer Studie in der albanischen Community in Deutschland und der Schweiz”. In: Journal of Linguistics and Language Teaching 13.1, S. 109–126.
    Selimi, Naxhi, Basil Schader & Andrea Cantieni
  • “Selbsteinschätzung der Sprachkompetenz albanischer Migrantinnen und Migranten in Deutschland und der Schweiz. Ein Ländervergleich entlang dreier Generationen”. In: Linguistische Treffen in Wroclaw 21, S. 243–258
    Selimi, Naxhi & Andrea Cantieni
  • Pairing peers and pears. Language Dynamics and Change, 13(2), 277-302.
    Sonnenhauser, Barbara; Ismajli, Blertë & Widmer, Paul
  • “Das Sprachmischungsverhalten albanisch-deutsch bilingualer Personen am Beispiel einer Familie kosovarischer Herkunft in Deutschland”. In: Albers, Marina et al. (Hgg.), Mehrsprachigkeit und Migration. JournalLipp 8
    Kelmendi, Blerina
 
 

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