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Quasi-statische Lösungsverfahren zur numerischen Behandlung flexibler Mehrkörpersysteme

Fachliche Zuordnung Mathematik
Förderung Förderung von 2007 bis 2011
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 41324616
 
Erstellungsjahr 2014

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Betragsmäßig kleine Parameter ε in physikalischen Modellen können in den mathematischen Modellgleichungen zu Lösungsanteilen führen, die aus Anwendungssicht irrelevant sind, aber bei der numerischen Lösung einen großen Rechenaufwand verursachen. Zur systematischen Untersuchung dieser Aufgabenklasse bezieht die Theorie singulär gestörter Probleme den Grenzfall ε = 0 ein, der als reduziertes System bezeichnet wird. Für zeitabhängige Differentialgleichungssysteme ist dieses reduzierte System (ε = 0) numerisch oft sehr viel effizienter zu lösen als die ursprünglich gegebenen, singulär gestörten Modellgleichungen (ε > 0). Die sog. quasi-statische Approximation vollzieht deshalb analytisch den Grenzübergang ε → 0 in den mathematischen Modellgleichungen, um den Rechenaufwand bei der anschließenden numerischen Lösung zu reduzieren. Aus der Literatur sind Regularitätsbedingungen bekannt, die es für typische Aufgabenklassen ermöglichen, die eindeutige Lösbarkeit des reduzierten Systems nachzuweisen und den Fehler der quasi-statischen Approximation abzuschätzen. Ziel des vorliegenden Projekts war die Erweiterung dieses klassischen Lösungskonzepts auf die Bewegungsgleichungen flexibler Mehrkörpersysteme, wobei singuläre Störungen im Vordergrund standen, die aus (sehr) kleinen Massen- und Trägheitstermen resultieren. Die quasi-statische Approximation führt hier auf idealisiert masselose Körper und eliminiert hochfrequente Lösungsanteile mit kleinen Amplituden. Aus praktischer Sicht ist sie vor allem in rechenzeitkritischen Echtzeitanwendungen sowie bei der Lösung hochdimensionaler Probleme interessant. Die Modellgleichungen bilden ein linear-implizites differential-algebraisches System zweiter Ordnung vom Index 3. Die Projektarbeiten konzentrierten sich auf folgende Schwerpunkte: • Fehlerabschätzungen für die quasi-statische Approximation der Bewegungsgleichungen, • effiziente Auswertung des reduzierten Systems unter Berücksichtigung idealisiert masseloser Körper in einem modifizierten Mehrkörperformalismus und • Erprobung der quasi-statischen Approximation an typischen Benchmarkproblemen. Im Projektverlauf zeigte sich darüber hinaus die zentrale Bedeutung der Dämpfungsmodellierung, um die o. g. Regularitätsbedingungen zu erfüllen. Weiterhin wurden Skalierungstechniken untersucht, um die singulären Störungen im Modell zuverlässig identifizieren zu können. Letztendlich konnten alle wesentlichen Projektergebnisse erreicht werden. So gelang es insbesondere, durch analytische Transformation der singulär gestörten Bewegungsgleichungen den Fehler der quasi-statischen Approximation unter Verwendung bekannter Ergebnisse aus der Literatur abzuschätzen. In den praktischen Testrechnungen verringerte sich der Rechenaufwand durch Übergang zum reduzierten System um bis zu 90%. Im Mittelpunkt der Zusammenarbeit mit der Fakultät für Technische Mechanik der CTU Prag, Prof. M. Valášek, Ph.D., DrSc. stand die Auswahl und Parametrierung realistischer Benchmarkprobleme zur praktischen Erprobung des quasi-statischen Lösungskonzepts in Anwendungen der Mehrkörperdynamik. Im Rahmen der 6. Förderperiode der BMBF-Mathematikinitiative (2010 - 2013) fanden die Projektergebnisse praktische Anwendung in einem gemeinsamen Forschungsvorhaben von Martin-Luther-Universität und einem Industriepartner zur Simulation von Fluidik und Mehrkörpersystemen und führten auch dort zu Rechenzeiteinsparungen von bis zu 70%.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Improved time integration of multibody system models using methods from singular perturbation theory. In Proc. of The 1st Joint International Conference on Multibody System Dynamics, May 25–27, 2010, Lappeenranta, Finland, 2010
    M. Arnold, B. Burgermeister, and S. Weber
  • Model reduction via quasistatic approximations. Proc. Angew. Math. Mech., 10:655–656, 2010
    S. Weber and M. Arnold
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1002/pamm.201010320)
  • Methods from singular perturbation theory applied to flexible multibody systems. In J.C. Samin and P. Fisette, editors, Proc. of Multibody Dynamics 2011 (ECCOMAS Thematic Conference), Brussels, Belgium, 2011
    S. Weber and M. Arnold
  • Quasistatic approximations for stiff secondorder differential equations. Applied Numerical Mathematics, 62:1579–1590, 2012
    S. Weber, M. Arnold, and M. Valášek
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1016/j.apnum.2012.06.030)
  • A recursive multibody formalism for systems with small mass and inertia terms. Mech. Sci., 4:221–231, 2013
    M. Arnold
    (Siehe online unter https://doi.org/10.5194/ms-4-221-2013)
  • Semi-analytical methods for singularly perturbed multibody system models. Journal of Computational and Applied Mathematics, 2014
    S. Weber and M. Arnold
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1016/j.cam.2013.07.040)
 
 

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